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Professoren fordern: 1.600 Allgemeinkrankenhäuser schliessen!

Oatman. Foto: H.S.

25.07.2017 - von Hanne Schweitzer, Akademie + Institut für Sozialforschung Verona

„Nase“ Schulz kündigt als großartiges Sozialprogramm an, dass die Renten nicht noch viel stärker sinken sollen. „Backe“ Merkel schweigt sich, wie immer, über ihre Absichten aus. Zusammen wird es wohl wieder für eine dritte GroKo reichen. Dann aber werden die sozialen Grausamkeiten erst so richtig beginnen. Erinnern wir uns an 2006. Die Sozialdemokratie versprach: Keine Mehrwertsteuer. Stiefmutti drohte mit 2 Prozent höherer Mehrwertsteuer. Sozis plus Stiefmutti ergaben dann zusammen 3 Prozent höhere Mehrwertsteuer.

Was das mit den Krankenhäusern zu tun hat ?
Erstens:
Was die Posten- und Diäten-jäger(innen) vor den Wahlen erzählen, ist häufig gelogen oder keinesfalls das, was sie wirklich im Schilde führen - also betrogen.
Zweitens:
hebt sich nicht nur das Berliner Parlament seine „Gesundheitsgemeinheiten“ (BILD – diesmal zutreffend) bevorzugt für die Zeit nach den Wahlen auf.
Drittens:
gehört es zu den Spielregeln von "Privatisierung und Kommerzialisierung der Gesundheitsversorgung", dass man zunächst einmal ein paar bereitwillige ProfessorInnen* bezahlt, die „wissenschaftlich“ beweisen, was, wo und wann unbedingt gekürzt oder privatisiert werden muss.

Um also zu wissen, was für die Zeit nach der Bundestagswahl im Busch ist,
empfiehlt es sich, ein bisschen zu recherchieren. Und da wird man zum Thema „Krankenhaus“ mehr als fündig: Schon Ende vergangenen Jahres wurde der Antikrankenhauskrieg, den die Bundesregierungen und Krankenkassenverbände seit Jahrzehnten führen, weiter eskaliert. Es wurde ein Generalangriff auf die familien- und ortsnahe Krankenhausversorgung gestartet. Nachdem das Regime zuvor schon einen hunderte Millionen Euro schweren Krankenhaus-Abwrack-Fonds beschlossen hatte, "bewiesen" und forderten im Herbst 2016* so genannte „Wissenschaftler“, dass 1.300 von 1.900 hiesigen Allgemeinkrankenhäuser eliminiert werden müssten. Künftig, so hieß es, solle die Krankenhausversorgung in 300 Behandlungszentren erledigt werden. Dies ginge mit den vorhandenen Pflegekräften.

Die Reaktion auf diesen wahrlich menschenfeindlichen Vorschlag,
der von der Bundestagssozialdemokratie sogleich stürmisch begrüßt wurde, ließ diesmal nicht lange auf sich warten: In einigen wenigen Alternativmedien wurde die Forderung publiziert, gegen solche „Menschenfeind-“professoren“ den Paragraphen 70 im Strafgesetzbuch (§ 70 StGB) zu aktivieren und Berufsverbote zu verhängen. Von den Abschlachtforderungen in Sachen Bürgerkrankenhäuser hat man dann nichts mehr gehört.

Jetzt aber geht es anscheinend wieder los
Die Süddeutsche Zeitung, das pseudoliberale Zentralorgan des Regimes, hat die zitierte Forderung nach einem Krankenhauskahlschlag wieder ausgepackt. In seinem Ressort „Wissen“ behauptete das Blatt unter dem Deckmantel vorgetäuschter Sorge um das Wohl der PatientInnen letztlich, daß die Häufigkeit lukrativer Operationen in manchen Regionen eine Folge der Krankenhausüberkapazitäten sei. Die Wahrheitssender ARD und WDR und die Regimesouffleuse Bertelsmann-Stiftung wirk(t)en mit bei dieser Kakophonie.

Die Konstruktion eines ursächlichen Zusammenhanges von Krankenhausdichte und Operationsüberhäufigkeit (OP-Polypragmasie) ist ein heimtückisches Täuschungsmanöver.
Würde dieser Zusammenhang von Krankenhausdichte und Operationsüberhäufigkeit tatsächlich existieren, hätten in den zurückliegenden Jahrzehnten die regionalen Überhäufigkeiten sehr viel ausgeprägter sein müssen. In den vergangenen Jahrzehnten gab es viel mehr Krankenhäuser als gegenwärtig. Und vor allem: Die eigentliche Ursache für die Bemühungen der Krankenhäuser um Umsatzsteigerungen liegt in der unauskömmlichen Pauschalpreisfinanzierung der Krankenhausbehandlung. Sie wurde, wie gehabt, von Bundesregierungen, Krankenkassenverbänden und den üblichen „ExpertInnen“ durchgedrückt. Wenn das neoliberale Kartell jetzt erneut unisono „Haltet den Dieb“ ruft und totalen Krankenhauskahlschlag fordert, dann heißt es nach den Wahlen beim Thema Krankenhaus besonders wachsam sein. Die Berufsverbotsanzeigen sollten auch schon mal vorbereitet werden.
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Die Nationale Akademie der Wissenschaften in Halle
Herausgeber der „8 Thesen zur Weiterentwicklung zum Wohle der Patienten und der Gesellschaft“ war im Oktober 2016 der Präsident der vereinsrechtlich organisierten Nationalen Akademie, Professor Dr. Hacker. Die Thesen basieren auf Beiträgen eines Symposiums, das Anfang Januar 2016 von den wissenschaftlichen Kommissionen „Gesundheit“ und „Wissenschaftsethik“ der Akademie ausgerichtet wurde, um „Themenvorschläge für die Politik und Gesellschaftsberatung“ zu generieren.
Zwecks Erarbeitung der 28 Seiten des symposiumbasierten „Autorenbeitrags“ waren die geistigen Kapazitäten von sechs Wissenschaftlern nötig! Drei davon sind gewählte Mitglieder der Akademie, die zu 100 % aus Steuergeldern finanziert wird (80 Prozent Bund, 20 Prozent Land Sachsen-Anhalt).
Das Papier enthält „Thesen zu Ansatzpunkten für eine klare Rollenzuweisung von Ökonomie und Medizin im deutschen Gesundheitswesen am Beispiel des stationären Sektors“.
Gefordert wird eine „grundlegende Veränderung der Krankenhausstruktur“, das Schaffen von „rechtlichen Voraussetzungen, etwa im Bereich des Krankenhausplanungsrechts, um eine Reduktion der Zahl der Krankenhäuser – und nicht nur der Betten – bzw. eine Zentrierung der Versorgung zu erreichen“. Angeregt wird außerdem Krankenhäuser „auf dem Land zu schließen und stattdessen in gut ausgestattete Rettungswagen für den Transport zu investieren.“ Zum Wohle der Patienten und der Gesellschaft !

*Die bereitwilligen Professoren:
Reinhard Busse: u.a. Professor für Management im Gesundheitswesen an der Fakultät „Wirtschaft und Management“ der Technischen Universität Berlin; außerordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission; Fakultätsmitglied der Charité-Universitätsmedizin Berlin; assoziierter Forschungsdirektor des European Observatory on Health Systems and Policies. Thema seiner Habilitationsschrift: "Anwendung und Weiterentwicklung von Konzepten und Methoden der Gesundheitssystemforschung im deutschen Kontext".
Detlev Ganten: u.a.: Professor Dr. ML : Gründungsdirektor des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch; Honorarprofessur an der Wuhan Universität; Träger des Bundesverdienstkreuzes; Légion d`honneur; Sprecher der Wissenschaftlichen Kommission “Gesundheit“; Co-Chair des Interacademy Medical Panel (IAMP); Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Charité; Präsident des World Health Summit; Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften.
Stefan Huster: u.a. Professor Dr.; Geschäftsführender Direktor des Instituts für Sozial- und Gesundheitsrecht (ISGR) an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Uni Bochum; Leiter der Forschungsgruppe „Normative Aspekte von Public Health“ am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld; Fellow der DFG-Kollegforschergruppe „Normenbegründung in Medizinethik und Biopolitik“ der Universität Münster; Dissertationsthema: Zur Dogmatik des allgemeinen Gleichheitssatzes.
Erich R. Reinhardt: u.a.: Professor Dr. Dr. h.c. mult.; Vorstandsvorsitzender von Medical Valley EMN; Leiter der Applikationsentwicklung in der Magnetresonanztomographie; Managing Director der Siemens Ltd. Bombay; Vorstandsmitglied der Siemens AG. Member of the Board of Directors of Varian Medical Systems; Member of the Board of Directors of I-MED; Aufsichtsratsmitglied des Universitätsklinikums Erlangen; Mitglied des Kuratoriums des Deutschen Krebsforschungszentrums; Sprecher der Session „Altern und Medizitechnik bei der „Heidelberg Karlsruhe Research Partnership (HEiKA)“; Aufsichtsratsmitglied der BioM AG.
Norbert Suttorp: u.a.: Professor Dr. ML; Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI); Mitglied der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft; Mitglied im Fachkollegium „Entzündung“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG); Reviewer im DFG/BMBF-Programm „Clinical Trails“; Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer; Mitglied im Ausschuss der Deutschen Medizinischen Gesellschaft für Innere Medizin; Ko-Sprecher des BMBF-Verbundes CAPSyS ; Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften.
Urban Wiesing: u.a.Professsor Dr. med. Dr. phil. ML; Senior-Fellowship am Alfried Krupp Wissenschaftskollege in Greifswald; Mitglied der Arbeitsgruppe des Weltärztebundes zur Revision des Genfer Gelöbnisses; Mitglied der Arbeitsgruppe des Weltärztebundes zur Revision der Deklaration von Helsinki; Mitglied des Medical Ethics Committee des Weltärztebundes; Vorsitzender der Zentralen Ethik-Kommission bei der Bundesärztekammer; Sprecher des Arbeitskreises „Universität Tübingen im Nationalsozialismus“; Leiter des Instituts Ethik und Geschichte der Medizin an der Medizinischen Fakultät Tübingen; Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften.

Das Symposium, Januar 2016 in Berlin: Link
Das Thesenpapier, Oktober 2016 in Halle: Link

* Dazu: Süddeutsche Zeitung am 26.10.2016: Link und Blog Aktuellle Sozialpolitik: Link

Mehr über den seit Jahren tobenden Kampf um die Krankenhausversorgung finden Sie in folgenden drei PDFs:

Krankenhäuser als Widerstandsnester: Innovative Produkte für die Region statt Gang an die Börse
Albrecht Goeschel
In: Sozialverband VdK Landesverband Bayern (Hrsg.):
Reformangriff auf das Sozialmodell Deutschland
München 2005
Link

Krankenhausgefährdung durch einen verengten Wirtschaftlichkeitsbegriff
Albrecht Goeschel
In: Sozialverband VdK Landesverband Bayern (Hrsg.):
Krankenhaus in Gefahr
München 1993
Link

Konzentration in der Krankenhauswirtschaft: Krankenhauszusammenschlüsse als Emanzipation gegenüber Bundespolitik und Kassenoligopol ?
Albrecht Goeschel
In: Sozialverband VdK Landesverband Bayern (Hrsg.):
Konzentration bei den Krankenhäusern
München 2001
Link

Link: Mann + Krankenhaus: Mann und Krankenhaus: Untersuchungen zur Gesundheitsversorgung der Männerbevölkerung
Quelle: diverse