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RABFAK

Marokko, Foto:H.S.

20.05.2017 - von Harmiut Jeromin

Manchmal in den letzten Jahren stand ich in Potsdam vor dem Gebäude in der Hegelallee 30. Die Schüler vom „Einsteingymnasium“ sahen völlig unwissend aus den Fenstern zu mir herüber… Sie konnten auch nichts wissen, nicht einmal im scheinbar allwissenden Internet findet sich viel über die ABF Potsdam. Es war meine „Vorstudienanstalt“ 1961/ 1962, sie hieß aber damals nur ABF, unter uns auch RABFAK, eine Zusammenziehung aus dem Russischen.

Die Umstände meiner Aufnahme dort sind noch heute für mich äußerst mysteriös!
Ich stammte aus einer kinderreichen (Umsiedler-/Flüchtlings)-Familie und musste nach fünf verschiedenen Grundschulen nach der 8. Klasse sofort ins Leben. Die Lebens- und Schulverhältnisse damals gaben für mich zunächst einfach nicht mehr her. Ostern 1956 standen wir z.B. ohne Lehrer da, sie waren vor der kleinen Dorfschule „geflohen“, ab in den Westen. Diese Startbedingungen wären heute die der untersten Unterschicht!

Dann Lehre, auch etwas holperig im Ablauf und ein Jahr Facharbeiter, bezahlt nach Tarif Land und Forst, Lohngruppe 5, dann sogar 6 (!) und immer etwas Volkshochschule.

Meine Bewerbung und das Aufnahmeverfahren fanden etwas später statt, erst zu Anfang September 1961. Sofort wurde ich nach Hause geschickt und sollte stehenden Fußes mit den notwendigen Unterlagen wieder antanzen. Also Start im September 1961 mit 14 Tagen Verspätung. Wenn man bedenkt, dass mein Vater beim RAD war, auch in der NSDP und jetzt bei der ev. Kirche angestellt war, ich selbst nicht in der FDJ bis dato und allen bisherigen Anwerbeversuchen der NVA widerstanden hatte und bestimmt zur Aufnahme einen Aufsatz mit miserabler Schrift und Rechtschreibung ablieferte, war es insgesamt wirklich mysteriös.

Ich kann auch heute noch nur denken, dass damals dort Leute zuständig waren mit grenzenlosem Optimismus in meine Bildungsfähigkeit oder es herrschte äußerster Mangel an Lehr-Personal in den Schulen oder eben das Bildungsideal…! S.u.-
In dem Fachartikel von Ingrid Miethe: „Die Universität dem Volke“ im Internet wurde die pädagogische Leistung der Lehrer an den ABF ausdrücklich gewürdigt: „Letztlich hat die ABF… trotz aller hier benannten Mängel u. Probleme auch eine gewaltige Bildungsleistung erbracht, die es bis zu diesem Zeitpunkt in der deutschen Bildungsgeschichte nicht gegeben hat!“

Meine Bewerbung und das Aufnahmeverfahren fanden etwas später statt, erst zu Anfang September 1961. Sofort wurde ich nach Hause geschickt und sollte stehenden Fußes mit den notwendigen Unterlagen wieder antanzen. Also Start im September 1961 mit 14 Tagen Verspätung. Wenn man bedenkt, dass mein Vater beim RAD war, auch in der NSDP und jetzt bei der ev. Kirche angestellt war, ich selbst nicht in der FDJ bis dato und allen bisherigen Anwerbeversuchen der NVA widerstanden hatte und bestimmt zur Aufnahme einen Aufsatz mit miserabler Schrift und Rechtschreibung ablieferte, war es insgesamt wirklich mysteriös.

Ich kann auch heute noch nur denken, dass damals dort Leute zuständig waren mit grenzenlosem Optimismus in meine Bildungsfähigkeit oder es herrschte äußerster Mangel an Lehr-Personal in den Schulen oder eben das Bildungsideal…! S.u.-

In dem Fachartikel von Ingrid Miethe: „Die Universität dem Volke“ im Internet wurde die pädagogische Leistung der Lehrer an den ABF ausdrücklich gewürdigt: „Letztlich hat die ABF… trotz aller hier benannten Mängel u. Probleme auch eine gewaltige Bildungsleistung erbracht, die es bis zu diesem Zeitpunkt in der deutschen Bildungsgeschichte nicht gegeben hat!“-

Für das eine Jahr Vorkurs musste man Stofflinien auswählen, die in direkter Beziehung zur gewählten Studienrichtung standen, bei meiner und den Studenten in 2 weiteren Seminargruppen war es die Fachrichtung Bio/ Chemie. Jede Menge Unterricht in den wesentlichen Fächern, nachmittags mehrstündige Praktika, z.B. Mikroskopieren, Chemielaborexperimente, Physiklabor…Und Exkursionen: Ins Naturkundemuseum, an den Teufelssee in den Ravensbergen, ins Obstforschungsinstitut nach Marquart, zu den Meteorologen in Potsdam, in eine MTS, an der Rietzersee, ins Schlaubetal und zum Hochofen in Eisenhüttenstadt. Die Lehrer arbeiteten bestimmt bis zur Erschöpfung. Sprachlich gab es für uns leider nur das ungeliebte Russisch, so fehlt mir das Englische noch heute.- FDJ fand auch statt, nicht so gut waren Gruppenversammlungen mit gegenseitiger „Beurteilung“ und „nimm mal Stellung dazu“. Diese Form der Pädagogik hatte, gemessen am eigenen Bildungsideal, dort nichts zu suchen, war aber zeitbedingt. Der „Leistung“ einiger Lehrer dort gedenke ich deshalb noch heute kritisch. Wie ich aber jüngst erfuhr, hatte die Potsdamer ABF kurz vor dem Mauerbau selbst einen Aderlass an Lehrern zu verkraften, sie gingen nach dem Westen, so erklärt sich mir die damalige Besetzung mit neuen, methodisch relativ unerfahrenen Kräften. Das hatte aber auch sein Gutes, sie orientierten sich sehr am „Stoff“ und glitten nicht so sehr ins Politische ab!-

Dazwischen dann noch in die Kartoffelernte und im Sommer 62 ins Rhin-Havelluch zum Gräben schaufeln. Nur Weihnachten und im Sommer Ende August ging es nach Hause zu Muttern. Im Februar 62 dann sehr lange Ferien mit Selbststudium wegen der Wetterunbilden. Dann begann das Vollstudium an der PHP.

Zum Stipendium gab es einen kleinen Aufschlag, je nach Verdienst vorher. Dazu Vollverpflegung (wir verdrückten in den Mensen Unmengen!) und Unterkunft (nur über die Straße) die wurden wieder abgerechnet und so erhielt ich in den gesamten 5 Studienjahren jeden Monat 150,-M auf die Hand, in den Ernteeinsätzen noch etwas zusätzlich.

Da meine Eltern mir nichts dazu geben konnten, war also mit dem Geld auszukommen. Zum Leistungsstipendium reichte es bei mir nicht. Ich denke aber, ich habe das Geld dann in den 40 Dienstjahren in den Schulstuben, auf den Korridoren als Aufsicht, auf den Schulhöfen, bei den Ferienaktionen, den Elternversammlungen und Weiterbildungen redlich abgearbeitet. So war es ja wohl auch gedacht. Da im Sommer 62 das Stipendium für Juli und August ausgezahlt wurde reichte es bei mir zu einem Fotoapparat, den ich heute noch benutze.

Nach dem Einstieg in mein 2. Berufsleben als Lehrer war es mir völlig egal, zu welcher Bevölkerungsschicht ich nun zählte, ob Unterschicht, Mittelstand oder Oberschicht. Ich wollte auch nicht Direktor werden, dazu hatte ich mir den Beruf zu schwer erarbeitet. Statistisch verdiente ich nun immer genau den DDR-Durchschnitt (445,-M am Anfang Netto), daraus ergibt sich nun die heutige Durchschnittsrente!

Einige der Ehemaligen leben noch in meinem Umfeld. Wenn aber nun bald 50 Jahre vergangen sind seit unserem Start an der RABFAK, sollte ein „Klassentreffen“ stattfinden. Denn die ABF lebt, weil: Uns gibt es ja! Wir werden uns eine Menge zu erzählen haben, Lehrer wird es nur noch wenige geben, wie ich las, lebt wohl Dr. Paul Dribbisch noch. Auch deshalb sollten wir uns beeilen. Und uns unsere Geschichten erzählen, denn es stimmt, was R. Loeser (ABF Halle, Internet) am 21.01.07 schreibt: „…langsam Zeit…die eigene Geschichte…sonst wird alles der Vergessenheit anheimfallen. Dafür ist das Leben zu schade…“.

Aber nun zum Schluss: Was passiert im heutigen „gegliederten Bildungswesen“ mit denjenigen, die negativ durch das Sieb fallen? Werden die irgendwann doch noch gefördert? Welches Ideal, welche Politik könnte das bewirken? Gibt es in unserer „ständischen“ Gesellschaft, wo es angeblich einen „Mittelstand“ gibt und demnach auch einen Stand darüber und einen darunter, eigentlich ein allgemeingültiges Bildungsideal nicht mehr/ noch nicht oder noch nicht wieder?

Und: War/ bin ich vielleicht doch nur eine „Negativauslese“, wie es von Marianne Birthler vor Jahren über Lehrer in der DDR so kühn und frech behauptet wurde? Und - man sollte versuchen, mit den Einstein-Gymnasiasten zu sprechen oder verstößt das gegen das Neutralitätsprinzip und bringt gar Politik in die Schule? Darüber möchte ich, wenn möglich, mit meinen damaligen Mitstudierenden ins Gespräch kommen, sie haben bestimmt eine Meinung dazu -
denkt Hartmut Jeromin im Februar 2010

Nachtrag 2017: Inzwischen haben sich doch einige der „Ehemaligen“ zu mehreren Treffen gefunden. Es flossen viele Erinnerunge, jeder konnte auch die eigenen Ansichten dazu mitteilen und für den Herbst 2017 ist in Gohrisch in der Sächsischen Schweiz auch schon ein nächstes Zusammenkommen eingefädelt…wenn auch nicht mehr Alle leben…
Hartmut Jeromin

Link: Als Volkseigentum die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz war
Quelle: Mail an die Redaktion