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Wahlanfechtungsklage: Eilantrag an das Verfassungsgericht

Athen, Foto: H.S.

20.04.2017

Die Initiative gegen Altersarmut (IgA) hat sowohl eine Wahlanfechtungsklage, als auch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu den Sozialwahlen beim Sozialgericht Berlin eingereicht.

Die Initiative hat für die Sozialwahlen 2017 eine eigene Vorschlagsliste beim Wahlausschuss der Deutschen Rentenversicherung Bund eingereicht und das Quorum von 2.000 Unterstützerunterschriften erreicht. Der Wahlausschuss hat sowohl die Vorschlagsliste als auch die Beschwerde dagegen zurückgewiesen.

Die Entscheidung der DRV Bund, Unterstützerunterschriften mit dem Geburtsdatum anzuerkennen, statt der Rentenversicherungsnummer,war gesetzeswidrig und verstößt gegen den Wahlrechtsgrundsatz auf Wahl- und Chancengleichheit. Die Spielregeln wurden mitten im Wahlverfahren geändert und nicht allgemein bekannt gemacht.

Die Nichtanerkennung von 1.595 Unterstützerunterschriften von 2.323, beruht auf einer fehlerhaften Auslegung der aktuellen SVWO (Wahlordnung für die Sozialversicherungen). Den ausführlichen Sachverhalt entnehmen Sie bitte der beigefügten Wahlanfechtungsklage und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Initiative gegen Altersarmut
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Aktion Demokratische Gemeinschaft e.V.
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Betriebsrentner e.V.
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Bündnis für Rentenbeitragszahler und Rentner e.V.
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Senioren-Schutz-Bund Graue Panter e.V.
Südniedersachsen/Oldenburg
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Ideenschmiede e.V.
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Wahlanfechtungsklage
Angefochten wird die Sozialversicherungswahl 2017 zur Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund durch Peter Weber, xxx, Listenvertreter der Vorschlagsliste „Freie Liste Weber - Heinritz“, Kläger, gegen Deutsche Rentenversicherung Bund, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin Wilmersdorf, Beklagte.

Der Kläger vertritt sich selbst und beantragt festzustellen,dass die Nichtzulassung der Vorschlagsliste „Freie Liste Weber – Heinritz“ durch den Wahlausschuss der Beklagten rechtswidrig ist. Die Wahl wird angefochten.

Begründung:
I. Die Entscheidung der Beklagten, Unterstützerunterschriften für Vorschlagslisten anzuerkennen, bei denen anstelle der Versicherungsnummer nur das Geburtsdatum angegeben wurde, ist gesetzwidrig und damit ein mandatsrelevanter Fehler, der sich auf das Ergebnis der Wahl auswirken wird. Die Entscheidung verstößt zudem gegen den Wahlrechtsgrundsatz auf Wahl- + Chancengleichheit.

II. Die von der Beklagten vertretene Auffassung, das erforderliche Quorum von 2.000 Unterstützerunterschriften sei nicht beigebracht worden,beruht auf einer fehlerhaften Auslegung der aktuellen Version der SVWO. Die Entscheidung der Beklagten, die Vorschlagsliste zurückzuweisen, verstößt auch in diesem Fall gegen den Wahlrechtsgrundsatz auf Wahl- und Chancengleichheit. Wegen der Bedeutung auf den Wahlausgang wird der Kläger ergänzend zur vorliegenden Wahlanfechtungsklage vorläufigen Rechtsschutz nach § 57 Absatz 5 SGB IV beantragen.

Darlegung des Sachverhalts
Anfang August 2016 beschlossen die in der Kooperation „Soziale Sicherung in Deutschland“ zusammengeschlossenen Verbände und Vereine sich an der Sozialwahl 2017 mit einer eigenen Vorschlagsliste zur Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund zu beteiligen. Aus diesem Grund wurde Anfang September in Vorbereitung der Gründung der Initiative gegen Altersarmut (IgA) ein eigener Blog im Internet eingerichtet, über den in der Folge kontinuierlich über den Stand der Sozialwahl berichtet wurde. Der Blog enthält umfangreiche Information zur Sozialwahl, darunter auch mehrere Links auf Dokumente und Wahlunterlagen der Deutschen Rentenversicherung Bund.

Am 20. September 2016 waren die vorbereitenden Aktivitäten mit der Veröffentlichung der Wahlvorschlagsliste Freie Liste „Initiative gegen Altersarmut – IgA“ abgeschlossen. Die Wahlvorschlagsliste, das das Formular der Rentenversicherung zur Sammlung von Unterstützungsunterschriften, ein ausgefülltes Musterformular, die Mitteilung der Rentenversicherung über die Einzelheiten der Wahl und der Wahlkalender wurden vom Listenvertreter und seinem Stellvertreter im Blog zum Download bereitgestellt.

Beweis Nr.1: Blog der Initiative gegen Altersarmut, Internetadresse www.iga-org.de
Am 21. September 2016 wurde eine E-Mail an rund 3.500 Mitglieder der in der Initiative zusammengeschlossenen Vereine versendet und die Adressaten um Unterzeichnung der Unterstützerliste gebeten.
Neben Hinweisen zur Sozialwahl und dem vollständigen Formular zur Abgabe von Unterstützerunterschriften enthielt die E-Mail sowohl einen Link zum Download der kompletten Wahlvorschlagsliste als auch einen Link auf den Blog der Initiative. In der E-Mail wurden die Listenvertreter der Unterstützerlisten insbesondere auf die Ausfüllanweisungen des Formulars auf Seite 2 hingewiesen.

Beweis Nr.2: E-Mail der Initiative gegen Altersarmut vom 21. September 2016 – Aufruf zur Unterstützung der Vorschlagsliste Freie Liste“ Initiative gegen Altersarmut“. Anfang Oktober gingen mit der Post die ersten Unterstützerunterschriften ein, das erforderliche Quorum von 2.000 Unterstützerunterschriften wurde am 11. November 2016 überschritten und die Wahlunterlagen (Vorschlagsliste und 2.323 Unterschriften) mit DHL an den Wahlausschuss der Rentenversicherung in Berlin gesendet. Die Abgabefrist für die Einreichung der Unterlagen wurde eingehalten. Mit Mängelschreiben vom 23. November 2016 informierte das Sozialwahlbüro der Beklagten, dass das erforderliche Quorum nicht erreicht wurde, da 1.595 der 2.323 Unterschriften schon deshalb ungültig seien, da sie auf Beiblätter beigebracht wurden auf denen die Rückseite der Anlage 4 zur SVWO fehlt.

Darüber hinaus sei festgestellt worden, dass von der Gesamtzahl der Unterstützerunterschriften nur 1.545 Unterschriften von Versicherten und Rentenbezieher der Deutschen Rentenversicherung Bund zum Stichtag 1. April 2016 stammen. Zur Begründung verweist das Sozialwahlbüro in seinem Mängelschreiben auf das Bundessozialgericht, das in einem Urteil (Az. B 1 KR 26/02 R) am 16. Dezember 2003 über eine Wahlanfechtungsklage zur Sozialwahl von 1998 zu entscheiden hatte.

Beweis Nr.3: Mängelschreiben der Beklagten vom 23. November 2016. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2016 forderte die Beklagte den Kläger auf, eine Selbstdarstellung der Vorschlagsliste einzureichen. Diese wurde der Beklagten am 13. Dezember per E-Mail zugestellt. Da im Mängelschreiben vom 23. November 2016 das Listenkennwort Freie Liste „Initiative gegen Altersarmut - IgA“‘ von der Beklagten als behebbarer Mangel beanstandet wurde, änderte der Kläger das Listenkennwort in der Selbstdarstellung ab in „Freie Liste Weber – Heinritz“.

Beweis Nr.4: Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 2016 wegen der Einreichung einer Selbstdarstellung.

Beweis Nr.5: Selbstdarstellung der Liste Initiative gegen Altersarmut mit neuem Listenkennwort. Mit E-Mail vom 27. Dezember 2016 und zur Vorbereitung der Wahlausschusssitzung der Beklagten nahm der Kläger zusammen mit dem stellvertretenden Listenvertreter Stellung zur Mängelliste vom 23.November 2016. Unter anderem wird in der E-Mail auf die telefonische Aussage des Wahlbüros vom 25. November 2016 eingegangen, dass anstelle der Versicherungsnummer auch die Angabe des Geburtsdatums zum Nachweis der Identität des Unterzeichners ausgereicht hätte.

Beweis Nr.6: E-Mail des Klägers vom 27. Dezember 2016 Stellungnahme zum Mängelschreiben der Beklagten. In der Wahlausschusssitzung der Beklagten am 5. Januar 2017 wurde die Vorschlagsliste zurückgewiesen. Der Wahlausschuss schloss sich ohne Gegenstimmen der im Mängelschreiben vom 23. November 2016 vorgetragenen Argumentation (Rn 5) des Wahlbüros der Beklagten an.
In der Vorlage zur Wahlausschusssitzung (Vorlage WA-Nr. XII 04/17) führt das Wahlbüro unter TOP 3.1 aus, dass die Angabe des Geburtsdatums auf den Unterstützerlisten ausreichend ist. Dort steht zu Punkt 9 der Stellungahme des Klägers vom 27. Dezember 2016: „Es ist zutreffend, dass der Wahlausschuss der Deutschen Rentenversicherung Bund Entscheidungsspielräume in Hinblick von Durchführungsfragen zur Sozialwahl besitzt. In diesem Rahmen
wurde entschieden, dass die Angabe des Geburtsdatums ausreichend ist, da aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten der Versicherungsstatus des Unterstützers feststellbar ist. …Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Formular die Angaben beider Daten bereits vorsah. In der Vergangenheit musste für die Rentenversicherung jedoch die Versicherungsnummer angegeben
werden, …)“

Beweis Nr.7: Vorlage WA-Nr. XII 04/17 für die Wahlausschusssitzung am 5. Januar 2017. Daraufhin verlangte der Kläger von der Beklagten mit E-Mail vom 6. Januar 2017 Auskunft zu folgenden Punkten:
- Wann und von wem wurde die Entscheidung getroffen, dass die Angabe des Geburtsdatums des Unterzeichners ausreichend ist?
- Wann und wo wurde die Entscheidung veröffentlicht?
- Wie viele Unterstützerunterschriften wurden je Vorschlagsliste eingereicht und wie viele davon enthalten anstelle der Versicherungsnummer nur das Geburtsdatum?
Das Auskunftsbegehren wurde von der Beklagten bis heute nicht beantwortet.

Beweis Nr.8: E-Mail des Klägers vom 6. Januar 2017 mit Auskunftsersuchen. Die Begründung der Zurückweisung durch den Wahlausschuss der Beklagten wurde dem Kläger schriftlich mit Schreiben vom 6. Januar mitgeteilt. Das Schreiben enthält unter anderem eine Rechtsbehelfsbelehrung.

Beweis Nr.9: Schreiben der Beklagten vom 6. Januar 2017 – Zurückweisung der Liste. Am 8. Januar 2016 reichte der Kläger Beschwerde gegen die Zurückweisung der Vorschlagsliste beim Bundeswahlausschuss ein.

Beweis Nr.10: Beschwerdeschreiben vom 8. Januar 2017 an den Bundeswahlausschuss. Die Stellungnahme der Beklagten zur Beschwerde des Klägers trägt das Datum vom 27. Januar 2017. Darin geht die Beklagte umfassend auf die Entscheidung des Wahlausschusses vom 28. Juni 2016 ein (das Datum wird hier erstmalig genannt) und begründet, warum die Angabe des Geburtsdatums anstelle der Versicherungsnummer ausreichend sei. Ferner führt die Beklagte in ihrer Stellungnahme aus: „Eine Veröffentlichung der Beschlüsse des Wahlausschusses sieht weder das SGB IV noch die SVWO vor.“

Beweis Nr.11: Stellungnahme der Beklagten zur Beschwerde des Klägers mit Datum vom 27. Januar 2017. Zur Bundeswahlausschusssitzung am 3. Februar 2017 im BMAS in Berlin wurde der Kläger mit Schreiben vom 20. Januar geladen. An der Beratung seines Widerspruchs nahm die Bundeswahlbeauftragte Rita Pawelski teil. Nach Erörterung der Argumente beider Parteien entschied der Bundeswahlausschuss, die Beschwerde des Klägers zurückzuweisen. Vom Ausschussvorsitzenden Hans-Christian Helbig nach einer politischen Stellungnahme gefragt, antwortete die Bundeswahlbeauftragte sinngemäß, dass sie die Ablehnung der Vorschlagsliste von engagierten Bürgerinnen und Bürgern sehr bedaure. Dies zeige einmal mehr, dass die SVWO nicht mehr zeitgemäß ist und - wie von der Bundeswahlleitung schon vor Jahren von der Politik eingefordert – der dringenden Überarbeitung bedarf. Erst auf Anfrage des Klägers wurde ihm der Beschluss des Bundeswahlausschusses am 13. Februar 2017 in einer beglaubigten Abschrift per E-Mail zugestellt.

Beweis Nr.12: Beglaubigte Abschrift des Bundeswahlausschusses zur Zurückweisung der Beschwerde.
Rechtliche Bewertung
I. Die Entscheidung der Beklagten, Unterstützerunterschriften für Vorschlagslisten anzuerkennen, bei denen anstelle der Versicherungsnummer nur das Geburtsdatum angegeben wurde, ist gesetzwidrig und damit ein mandatsrelevanter Fehler, der sich auf das Ergebnis der Wahl auswirken wird. Die Entscheidung verstößt zudem gegen den Wahlrechtsgrundsatz auf Wahl- und Chancengleichheit.

Zur Begründung wird hierzu angeführt:
Die Entscheidung des Wahlausschusses vom 28. Juni 2016 (siehe Rn 12), von welcher der Kläger erstmals am 25. November 2016 in einem Telefonat mit dem Wahlbüro der Beklagten erfuhr, ist rechtswidrig. Der Entscheidung des Wahlausschusses liegt ein grober Ermessensfehler zugrunde, da die SVWO im Formular der Anlage 4 eindeutig die Angabe der Versicherungsnummer vorschreibt. Eine
andere Auslegung lässt der Text der SVWO auf Seite 2 der Anlage 4 nicht zu. Dort ist unter der Überschrift „Handlungsanweisungen an den Listenvertreter bzw. Listenträger“ mit Verweis von Seite 1
unter Referenznummer 2 zu lesen:
„② Angabe der Versicherungsnummer nur bei Wahlen in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Gruppe der Versicherten.
Bei Versicherten, die noch keine Versicherungsnummer erhalten haben, ist Angabe notwendig, ob Antrag auf Vergabe einer Versicherungsnummer gestellt wurde. Neben der Versicherungsnummer braucht das Geburtsdatum nicht angegeben zu werden.“ Insbesondere der zweite Satz lässt als Anweisung an die Listenvertreter einen Ermessensspielraum nicht erkennen. Auch Versicherte, die noch keine Versicherungsnummer erhalten haben, müssen angeben, ob Antrag auf Vergabe einer Versicherungsnummer gestellt wurde. Wäre nämlich die Angabe des Geburtsdatums ausreichend, dann hätte dieser Hinweis gänzlich entfallen können.

Die Rechtsauffassung, dass die Angabe der Versicherungsnummer zwingend vorgeschrieben ist, bestätigte auch das Landessozialgericht für das Saarland in seinem Urteil vom 30. Juni 2016 (L 1 R 104/14). Dort steht auf Seite 16, erster Absatz: „Ein verschiedentlich vorgeschlagener Verzicht auf das Erfordernis der Angabe der Versicherungsnummer … wurde bisher vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen, insbesondere nicht für die hier streitgegenständliche Sozialwahl 2011.“
Das Formular der Anlage 4 SVWO wurde nach 2011 nicht verändert und ist damit auch für die Sozialwahl 2017 verbindlich. Ein Ermessenspielraum der Beklagten, wie in ihrer Stellungnahme (Rn 12) vorgetragen, besteht nicht. In der Bundeswahlausschusssitzung am 3. Februar 2017 stimmte der Vorsitzende des Bundeswahlausschusses, Hans-Christian Helbig, der Auffassung des Landessozialgerichts für das Saarland ausdrücklich zu. Die Angabe des Geburtsdatums bei den Wahlen der Rentenversicherungsträge ist laut SVWO unzulässig. Die Tonaufzeichnungen der Bundeswahlausschusssitzung dürften die Aussage des Bundeswahlausschussvorsitzenden belegen.

Nach § 14 Abs. 3 (SVWO) muss ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Wahlausschreibung durch den Bundeswahlbeauftragen im Bundesanzeiger der Wahlausschuss eines Versicherungsträgers über den Ablauf der Sozialwahl informieren. Unter anderem nach Nr. 7 „auch über die Formvorschriften, die bei der Aufstellung der Vorschlagslisten zu beachten sind“. Die Beklagte kam dieser Verpflichtung durch entsprechende Informationen in ihrem Internetportal und ihrer Broschüre zur „Wahlordnung für die Sozialversicherung (SVWO)“, 9. Auflage (2/2016), nach. Die Wahlausschreibung wurde im Bundesanzeiger am 1. April 2016 veröffentlicht. Die Entscheidung über die Anerkennung von Unterstützerunterschriften, bei denen nur das Geburtsdatum angegeben ist, traf der Wahlausschuss der Beklagten am 28. Juni 2016, also fast drei Monate nach der Veröffentlichung der Wahlausschreibung.

Die Regeln wurden vom Wahlausschuss der Beklagten damit mitten im „Spiel“ geändert. Daraus ergeben sich zwangsläufig Fragen:
- Auf wessen Veranlassung wurde die Entscheidung getroffen?
- Wie lautet die Begründung zum Antrag?
- Mit welchem Abstimmungsergebnis wurde der Beschluss gefasst?
- Wer profitierte letztlich in welchem Umfang von dieser Entscheidung?
Einem inhaltlich ähnlichen Auskunftsersuchen des Klägers (Rn 9) ist die Beklagte bis heute nicht nachgekommen. Die Bedingungen für die Sozialwahl während des Wahlverfahrens zu ändern, stellt nach Einschätzung des Klägers einen schwerwiegenden Verstoß gegen den Wahlrechtsgrundsatz auf Wahl- und Chancengleichheit dar. Auf die veröffentlichten Informationen der Beklagten zur Wahlausschreibung müssen sich Bewerber, die mit einer eigenen Vorschlagsliste zur Sozialwahl antreten, verlassen können. Dies umso mehr, als die Beklagte in ihrer Broschüre, auf Seite 87, letzte Abschnitt, folgendes anmerkt: „Die Deutsche Rentenversicherung Bund wird das Muster (der Mitteilung zur Wahlausschreibung) des BWB (Bundeswahlbeauftragten) modifizieren und ihre speziellen Gegebenheiten berücksichtigen. … Diese Informationen können zu gegebener Zeit auch über ihr Internetangebot unter www.deutsche-rentenversicherung-bund.de abgerufen werden.“

In der Einleitung der Broschüre auf Seite 4, letzter Abschnitt,ist ferner zu lesen: „Weitere Informationen zur Sozialwahl in der Rentenversicherung finden sich auf der Internetseite der Deutschen Rentenversicherung Bund. Unter www.deutsche-rentenversicherung–bund.de werden in der Rubrik ‚Wir über uns‘ die aktuellen Entwicklungen dargestellt und häufig gestellte Fragen beantwortet.“ Die Entscheidung des Wahlausschusses vom 28. Juni 2016, welche eine so grundlegende nachträgliche Änderung des Wahlverfahrens darstellt, sucht man bis heute auf der Internetseite der Beklagten vergeblich. Hinzu kommt, dass die Protokolle der öffentlichen Wahlausschusssitzungen unter Verschluss gehalten werden und der Öffentlichkeit nicht frei zugänglich sind und Informationen auch sonst nur zögerlich (oder eben gar nicht, siehe Rn 9) herausgegeben werden. Die nachträglich vollzogene, rechtswidrige Änderung der Wahlordnung durch die Beklagte ist ein mandatsrelevanter Fehler, der zu einer Benachteiligung der vom Kläger vertretenen Vorschlagsliste führte und das Ergebnis der Wahl insgesamt beeinflusst. Schon aus diesem Grund bestreitet der Kläger, wie ausgeführt, die Rechtmäßigkeit der Sozialwahl für die Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund. Ausgehend von der SVWO musste der Kläger annehmen, dass bei der Sammlung von Unterstützerunterschriften für die Wahl der Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund ausschließlich die Versicherungsnummer maßgeblich ist. Die Benachteiligung ist zudem massiv, falls konkurrierende Vorschlagslisten nur aufgrund der geänderten Wahlordnung das Quorum von 2.000 Unterstützerunterschriften erreicht haben sollten.

II. Die von der Beklagten vertretene Auffassung, das für die Wahlzulassung erforderliche Quorum von 2.000 Unterstützerunterschriften sei nicht beigebracht worden, beruht auf einer fehlerhaften Auslegung der aktuellen Version der SVWO. Die Entscheidung der Beklagten, die Vorschlagsliste zurückzuweisen, verstößt auch in diesem Fall gegen den Wahlrechtsgrundsatz auf Wahl- und Chancengleichheit.

Hierzu wird zur Begründung angeführt:
In seiner Sitzung am 5. Januar 2017 in Berlin entschied der Wahlausschuss der Beklagten die Vorschlagsliste ‚Freie Liste „Initiative gegen Altersarmut - IgA“‘, später abgeändert in „Freie Liste Weber - Heinritz“ nicht zur Wahl zuzulassen (Rn 8), da das erforderliche Quorum von 2.000 Unterstützerunterschriften nicht erreicht worden sei. Von den eingereichten 2.323 Unterschriften seien 1.595 Unterschriften auf Beiblättern beigebracht worden, auf denen die Rückseite der Anlage 4 zur SVWO fehlt. Darüber hinaus sei mit Blick auf die Gruppenzuordnung festgestellt worden, dass von der Gesamtzahl der eingereichten Unterschriften nur 1.545 Unterschriften von Versicherten und Rentenbeziehern der Deutschen Rentenversicherung Bund zum Stichtag 01. April 2016 stammen. Wie nachfolgende Erläuterungen zeigen, lassen sich beide Behauptungen nicht mit der geltenden Rechtslage in Einklang bringen: Im Zuge der Zweiten Verordnung zur Änderung der Wahlordnung für die Sozialversicherung vom 10. November 2003 (BGBI I 2274) wurde die Anlage 4 zur SVWO wie folgt geändert:
a) Auf Seite 1 werden nach der Liste für die ersten sechs Wahlbewerber der Satz „Die vollständige Vorschlagsliste enthält …. Wahlbewerber“ und nach dem Wort „Ich“ die Wörter „bestätige,
dass mir die vollständige Vorschlagsliste vorgelegen hat und“ eingefügt.
b) Auf Seite 2 wird folgende Überschrift eingefügt:
„Handlungsanweisungen an den Listenvertreter bzw. Listenträger“.
Gegenüber der Version der Anlage 4 für die Sozialwahl 1999, die dem BSG Urteil (Az. B 1 KR 26/02 R) vom 16. Dezember 2003 zugrunde liegt, bestätigt ein Unterzeichner idF der Zweiten Verordnung zur
Änderung der SVWO mit seiner Unterschrift ausdrücklich, dass ihm die vollständige Vorschlagsliste vorgelegen hat. Des Weiteren stellte der Gesetzgeber mit dieser Änderung unmissverständlich klar, dass Seite 2 lediglich als Handlungsanweisung für den Listenvertreter bzw. dem Listenträger gedacht sei und demnach auf der Rückseite des Formulars entbehrlich ist.

An dieser Stelle sei noch einmal in Erinnerung gerufen: Allen Listenvertretern wurde das vollständige Unterstützerformular der Anlage 4 idF der Zweiten Verordnung zur Änderung der SVWO mit beiden Seiten per E-Mail überreicht und die Listenvertreter mit dem Hinweis „Beachten Sie die Ausfüllanweisungen auf Seite 2 des Formulars.“ entsprechend instruiert.
Weiterhin ist in der SVWO zwar von einer Seite 2, nicht aber von einer Seite 2 als verbindliche Rückseite des Formulars die Rede. Sollte nun eine vom BSG durch Urteil erlassene Formvorschrift, die sich eindeutig auf eine ältere, nicht mehr gültige Formularversion bezieht, dazu führen, dass eine Vorschlagsliste für die Sozialwahl 2017 wegen einer fehlenden Rückseite zurückgewiesen wird, dann widerspricht dies dem Sinn und Zweck der vom Gesetzgeber in 2003 erlassenen Änderung der Anlage 4 der SVWO. Eine fehlende Rückseite kann aufgrund dieser Änderung keinen schwerwiegenden Ablehnungsgrund mehr darstellen. Im Gegenteil: Mit dieser Begründung würde eine in jeder Beziehung veraltete Formvorschrift über den Wählerwillen von Bürgerinnen und Bürgern gestellt, denn diese bestätigen mit ihrer Unterschrift ausdrücklich, die Vorschlagsliste gesehen (oder darauf ggf. billigend verzichtet)
zu haben. Nur anhand dieser schriftlichen Bestätigung ist letztlich überprüfbar, ob der Forderung der SVWO nach Vorlage der vollständigen Vorschlagsliste entsprochen wurde. Eine Rückseite mit Hinweisen für den Listenvertreter stellt damit nach Änderung der Anlage 4 keine wesentliche Ergänzung des Textes auf Seite 1 mehr dar, da die darauf enthaltenen Informationen sich zum einen nur an den Listenvertreter richten, und sich dadurch zum anderen für den Versicherungsträger keine zusätzlichen Hinweise für die Überprüfung ergeben.
Aus § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 folgt, dass Abweichungen vom Muster der Anlagen nur dann zur Ungültigkeit der Vorschlagslisten führen können, wenn wesentliche Angaben der Anlagen fehlen oder die Mängel schwerwiegend sind (s. Becher-Fuchs, a.a.O., S O 56). Aber weder fehlten auf den an die Listenvertreter verteilten und zur Unterschriftensammlung verwendeten Formulare (Rn 3) wesentliche Angaben, noch konnten von der Beklagten andere schwerwiegende Mängel festgestellt werden. Selbst die Versicherungsnummern nach Vorgabe der SVWO wurden von den Unterstützern angegeben, woraus
sich ein schwerwiegender Mangel (Rn 19) möglicherweise hätte ergeben können.

Im Abschlussbericht zur Sozialwahl 2011 (Seite 178, Sonderbestimmungen für die Rentenversicherungsträger) vertritt der Bundeswahlbeauftragte die Rechtsauffassung, dass eine Unterscheidung der Unterstützerunterschriften nach Rentenversicherungsträgern (Gruppenzuordnung) nicht erforderlich sei, da es keine Konkurrenz unter den Versicherungsträgern der Rentenversicherung gibt und das Sammeln der Unterschriften hierdurch nur unnötig erschwert wird. Und weiter: Alle Personen, die bei einem der 16 Rentenversicherungsträgern das Wahlrecht besitzen, sollten mit ihrer Unterschrift eine Vorschlagsliste
unterstützen dürfen, weil kaum ein Versicherter wisse, bei welchem der 16 Träger er versichert sei. Und weiter wörtlich:

„Ein solches Vorgehen wäre außerdem verfassungsrechtlich gedeckt.“

Für den Bürger selbst hat die Zuordnung zu einem der Rentenversicherungsträger keine Bedeutung. Aus diesem Grund wissen die wenigsten Versicherten und Rentenbezieher, welcher Rentenversicherungsträger ihr Versicherungskonto verwaltet. Die Listenvertreter können die Zuordnung auch nicht überprüfen,da sich seit der Rentenreform von 2005 aus der Versicherungsnummer keine eindeutige Zuordnung zu einem der Rentenversicherungsträger mehr ableiten lässt. So wechseln z.B. von allen Versicherten, die nach 1945 geboren sind, jährlich etwa 200.000 Personen den Rentenversicherungsträger, nur um die mit der Rentenreform beschlossene Prozentaufteilung zwischen den Trägern der Rentenversicherung zu erreichen. Letztlich führt die dem Föderalismus geschuldete Rentenreform von 2005 dazu, dass eine Vorschlagsliste für die Zulassung zur Wahl der Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund weit mehr Unterschriften sammeln muss, als vorgeschrieben, nur um sicherzustellen, dass das Quorum von 2.000 Unterschriften nicht unterschritten wird. Im konkreten Fall der Sozialwahl zur Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund müsste eine Vorschlagsliste aufgrund der aktuellen Verteilung der Versicherungskonten auf die 16 Rentenversicherungsträger mindestens 4.255 Unterschriften einsammeln.Der Wahlrechtsgrundsatz auf Wahl- und Chancengleichheit wird hierdurch - insbesondere für kleinere Listen – erneut massiv verletzt. Die vorgetragenen Argumente verdeutlichen, dass die Zurückweisung der Vorschlagsliste „Freie Liste Weber – Heinritz“ zu Unrecht erfolgte. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten wurde das erforderliche Quorum erreicht, weswegen die Beklagte die Liste zur Wahl hätte zulassen müssen.
Peter Weber (Listenvertreter)

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 20. Februar 2017 Listenvertreter der Vorschlagsliste „Freie Liste Weber - Heinritz“, Antragsteller, gegen Deutsche Rentenversicherung Bund,Ruhrstraße 2, 10709 BerlinWilmersdorf,Antragsgegnerin.

Der Kläger vertritt sich selbst und beantragt unter Bezugnahme auf seine Wahlanfechtungsklage vom 20. Februar 2017 die Wahl zur Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund bis zur gerichtlichen Klärung im Hauptverfahren auszusetzen. Gleichzeitig wird beantragt, die Antragstellerin zu verpflichten, dem Antragsteller die genauen Ergebnisse der Unterschriftensammlung aller eingereichten Vorschlagslisten offenzulegen.

Mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Wahlaussetzung soll unter anderem verhindert werden, dass über die bisherigen Ausgaben hinaus weitere Beitragsgelder der Versicherten in die Wahldurchführung fließen. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach §57 Abs. 5 SGB IV ist zulässig. Die Vorschlagsliste, die der Antragsteller vertritt, wurde vom Wahlausschuss der Antragsgegnerin nicht für die in diesem Jahr Ende Mai stattfindende Sozialwahl zur Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund zugelassen.

Daraufhin legte der Antragsteller beim Bundeswahlausschuss für die Sozialversicherungswahlen Beschwerde gegen die Nichtzulassung ein. In der Ausschusssitzung am 3. Februar 2017 im BMAS in Berlin wurde die Beschwerde durch den Bundeswahlausschuss zurückgewiesen.
Der Antrag ist auch begründet.

Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Wahlanfechtungsklage gegen die Nichtzulassung der Vorschlagsliste „Freie Liste Weber – Heinritz“ vor Gericht im Hauptverfahren erfolgreich sein, da die Antragsgegnerin durch eine im Widerspruch zur SVWO stehende, nachträgliche Änderung ihrer Wahlordnung die vom Antragsteller
vertretene Vorschlagsliste massiv benachteiligt wurde. Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen den Wahlrechtsgrundsatz auf Wahl- und Chancengleichheit vor. Die Wahlverstöße sind erheblich und führen ohne Zweifel zur Ungültigkeit der Wahl.

Hierzu wird weiter angeführt:
I. Die Entscheidung der Antragsgegnerin,Unterstützerunterschriften für Vorschlagslisten anzuerkennen, bei denen anstelle der Versicherungsnummer nur das Geburtsdatum angegeben wurde, ist gesetzwidrig und damit ein mandatsrelevanter Fehler, der sich auf das Ergebnis der Wahl auswirken wird. Die Entscheidung verstößt zudem gegen den Wahlrechtsgrundsatz auf Wahl- und Chancengleichheit.
II. Die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung, das erforderliche Quorum von 2.000 Unterstützerunterschriften sei nicht beigebracht worden, beruht auf einer fehlerhaften Auslegung der aktuellen Version der SVWO. Die Entscheidung der Beklagten,die Vorschlagsliste zurückzuweisen, verstößt auch in diesem Fall gegen den Wahlrechtsgrundsatz auf Wahl- und Chancengleichheit.

Nähere Einzelheiten und Beweise, die die Auffassung des Antragsstellers belegen, können der beiliegenden Wahlanfechtungsklage entnommen werden.
Peter Weber (Listenvertreter)

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Die Wahlanfechtungsklage, womöglich über mehrere Instanzen hinweg, ist mit den finanziellen Möglichkeiten von IgA nicht zu stemmen, weswegen wir ein Spendenkonto eingerichtet haben. Wir vertrauen darauf, dass uns viele Bürgerinnen und Bürger mit einer Spende helfen, unserem demokratischen Recht auf Mitbestimmung Geltung zu verschaffen. Für die Unterstützung bedanken wir uns im Voraus recht herzlich.
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[bEilantrag an das Bundesverfassungsgericht
]Initiative gegen Altersarmut
Pressemitteilung vom 20.4.2017[/b]
Am 20. Februar 2017 hatte die Initiative gegen Altersarmut (IgA) gegen die Zurückweisung Ihrer Vorschlagsliste zur Vertreterversammlung der Deutschen
Rentenversicherung Bund Wahlanfechtungsklage beim Sozialgericht
Berlin eingereicht und gleichzeitig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung der Wahl gestellt.

Der Antrag wurde jedoch mit Beschluss vom 27. März vom Sozialgericht Berlin abgelehnt. Dabei überzeugte das Sozialgericht weder die von der Initiative in der
Wahlanfechtungsklage beanstandeten Wahlrechtsverletzungen der Rentenversicherung, noch ein Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland aus
2016, welches im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts Berlin steht.
Deshalb entschieden sich die IgA-Mitgliedsvereine kurzfristig, mit einem Eilantrag nach §32 Abs. 1 BVerfGG vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu ziehen.

Aufgrund der bereits Ende Mai anstehenden Sozialwahl verbinden sie mit dem Eilantrag die Hoffnung auf eine noch rechtzeitige Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht.

Pressekontakt
Peter Weber
IgA-Koordinator und Beschwerdeführer
peter.weber(at)iga-org.de

Link: Initiative gegen Altersarmut gegründet
Quelle: Pressemitteilung IgA, 26.02.2017