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Bremer Seniorenvertretung: Aktiv gegen multirestistente Keime

Köln, 2015 Foto:H.S:

04.01.2017 - von Elke Scharf + Gerd Feller

Die Aktivitäten der Brmer Seniorenvertretung sind mal wieder beispielhaft und es bleibt zu hoffen, dass sich andere Seniorenbeiräte daran ein Beispiel nehmen! Diesmal geht es um die Bekämpfung der gefährlichen multiresistenten Keime, den gefürchteten Killern in den Kliniken.

Schon seit mehreren Jahren wird von der Fachwelt vor der zunehmenden Ausbreitung multiresistenter Keime in deutschen Kliniken gewarnt. Besonders gefährdet sind Kinder und ältere Patienten, deren Immunsystem geschwächt ist. Trotz unserer hochentwickelten Medizin und Pharmazie fordern diese Keime jährlich ca. 20.000 Opfer, teils wird die Zahl noch höher geschätzt, und hinzu kommen noch die vielen Betroffenen, die zwar überleben, aber dauerhaft unter den Folgen der Infektion und den Nebenwirkungen der Behandlung leiden müssen.

Das Thema multiresistente Keime beschäftigt schon seit längerer Zeit auch die Bremer Seniorenvertretung. Wegen der weiterhin angespannten Situation nahm der Arbeitskreis Pflege und Gesundheit am 22.11.2016 noch einmal das Thema auf und hatte dazu zwei Experten eingeladen.

Prof. Dr. Gerd Glaeske betreibt seit 1999 an der Universität Bremen die Arzneimittelversorgungsforschung und er arbeitet in vielen Gremien des Gesundheitswesens mit. Er ist einer breiten Öffentlichkeit durch Interviews und Stellungnahmen insbesondere zu Arzneimittelfragen bekannt geworden.

Der zweite Gast war Rainer Bensch, Fraktionssprecher der CDU für Gesundheit und Krankenhäuser. Er war Obmann seiner Partei in den Parlamentarischen UntersuchungsausschüssenKrankenhauskeime (2011-2013) und Krankenhausneubau (Juli 2014 bis März 2015) und ist auch als examinierter Altenpfleger am Thema Multiresistente Keime interessiert.

Prof. Glaeske erläuterte zuerst, was unter multiresistenten Keimen zu verstehen ist. Es sind Bakterien, die eine Widerstandsfähigkeit gegen solche Stoffe entwickeln, mit denen sie normalerweise bekämpft werden können. Dazu gehören die Antibiotika, die bei Keimbefall dann nicht mehr wirken.

Besonders die steigende Antibiotika-Resistenz gibt Anlass zur Sorge. Sie resultiert aus dem zu häufigen Einsatz von Antibiotika. Die Keime mutieren und verhindern damit ihre Zerstörung. Sie können sich unbeeinträchtigt weiter fortpflanzen und ausbreiten.

Multiresistente Keime können überall auftreten und werden durch direkten oder indirekten Kontakt übertragen. Schon beim Einkauf von Fleisch können sie bereits auf der Oberfläche des Bratens sitzen. Sie besiedeln Handflächen, Türklinken, Haltegriffe,
Automatentastaturen und viele Gebrauchsgegenstände. Mangelhafte Hygienemaßnahmen zu Hause und auch in Krankenhäusern fördern die Verbreitung der Keime. Der Keimbefall soll z.B. bei Krankenhäusern allein durch den Austausch der eigenen fachlich geschulten gegen fremde Reinigungskräfte angestiegen sein.

Als Gründe für den übertriebenen Einsatz von Antibiotika wurden genannt:
• der zu hohe Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung; die Keime dort werden resistent und die Gefahr ist groß, dass sie sich auf die Verbraucher übertragen; der Verzehr von Fleisch, das mit Antibiotika angereichert ist, macht den Menschen resistent;
• die zu häufige Verschreibung von Antibiotika auch dann, wenn es sich z.B. um eine Vireninfektion (Erkältung, Harnwegsinfektion) handelt, wo kein Antibiotikum hilft;
• die Ärzte billigen oft die Einnahme eines Antibiotikums auf Drängen des Patienten, und die überflüssige Medikation kann gefährliche Nebenwirkungen erzeugen.

Was tun die Niederlande geggen Multiresistente Keime?
Die Tatsache, dass die Niederlande wesentlich weniger Patienten haben, die mit resistenten Keimen infiziert sind, zeigt, dass es durchaus Maßnahmen gibt, die das Keimrisiko senken. Das hieisge Gesundheitswesen könnte sich daran ein Beispiel nehmen, damit auch unsere Kliniken keimfrei gehalten werden.

Die niederländischen Kliniken untersuchen neu eingelieferte Patienten zuerst in einer besonderen Station auf Keimbefall, bevor man die eigentliche Erkrankung auf anderen Stationen behandelt. Danach werden die kritischen Fälle in eine Isolierstation (Quarantäne) verlegt, bis die Keime beseitigt sind. Wer keimfrei ist, kommt dann zur fachärztlichen Behandlung auf eine keimfreie Station.

• Die niederländischen Ärzte sind in Hygiene besser ausgebildet, in den Kliniken arbeiten Fachärzte, niedergelassen sind in der Regel die Allgemeinmediziner.
• Die Niederlande haben strengere Hygienevorschriften und besser ausgebildete Reinigungskräfte in den Kliniken.

Gerd Feller
Antrag des Arbeitskreises Pflege und Gesundheit
Wegen der Aktualität und Dringlichkeit des Themas MRSA in Bremer Kliniken hat sich eine kleine Gruppe des AK Pflege und Gesundheit sofort nach der Veranstaltung zusammengesetzt und einen Antrag
an den Vorstand der Bremer SV formuliert, der wesentliche Forderungen zur „Vermeidung und Bekämpfung von MRSA in
Krankenhäusern und Pflegeheimen“
enthält:

1.
Einführung einer flächendeckenden Leitlinie Krankenhaus-Hygiene
2.
Ein generelles Aufnahme-Screening auf MRSA
3.
Einstellung von Hygienikern, alternativ von Antibiotika-Beauftragten zwecks Kontrolle der Antibiotika-Gaben und von Kontrollindikationen
4.
Verstärkung der Hygienemaßnahmen in Krankenhäusern und Pflegeheimen durch:
a) kontrollierte Anwendung von Desinfektionsmaßnahmen für Hände und Schuhe im Eingangsbereich
b) Händehygiene und Händedesinfektion
c) Schulung der Reinigungskräfte in den Sprachen der Beschäftigten
d) Ausreichende Reinigungsmaterialien
5.
Kurzärmelige Arztkleidung und täglicher Wechsel
6.
Verwendung von Breitbandantibiotika nur in Notfällen
7.
Isolierung der von MRSA-Keimen befallenen Patienten
8.
Besondere Schutzmaßnahmen bei Akutpatienten vor und nach einer Operation
9.
Meldepflicht besonders gefährlicher Keime, sobald ein Patient befallen ist.
10.
Ausreichend Besuchertoiletten mit Leucht-Beschilderung auf den Fluren und mit Vorrichtungen zur Hand-Desinfektion, ähnlich den Anzeigen für Notausgänge.

Das Thema Multiresistente Keime in Kliniken und Pflegeheimen wird die Bremer SV auch weiter beschäftigen.
Elke Scharf

Link: Am Ende des Lebens wie Abfall behandelt
Quelle: DURCHBLICK Januar 2017