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WDR verkauft gebührenfinanzierte Kunstwerke anonym

Köln, 2015 Foto: 2015

20.06.2016

WDR-Intendant Tom Buhrow hatte den Wert der Kunstsammlung des Senders im Oktober 2013 auf etwa drei Millionen Euro beziffert bevor er ankündigte, diese "Ansammlung" sowie die Bibliothek des Senders verkaufen zu wollen. In seiner Sitzung vom 11. März 2014 stimmte der WDR-Verwaltungsrat** dem Verkauf der Kunstwerke durch Sotheby’s zu. Zuvor war von der Landesregierung NRW entschieden worden, zwei der bedeutendsten Werke nicht in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes aufzunehmen. Damit war auch deren Verkauf möglich gemacht worden.

Am 21.+ 22.6.2016 ist es soweit. Ausgewählte Kunstwerke des Öffentlich-Rechtlichen Senders werden über das Auktionshaus Sotheby’s in London verkauft, im Dezember wird der Hammer dann noch einmal in Paris geschwungen. In einem "transparenten und unabhängigen Wettbewerb" so die Pressestelle des WDR, hätte man "die Konditionen von sechs renommierten Auktionshäusern abgefragt: Darunter waren zwei Häuser aus Köln, zwei bundesweit vertretende Auktionatoren sowie zwei international tätige Häuser." Die Geschäftsleitung* des WDR habe entschieden, "die Versteigerung in die Hände des Auktionshauses Sotheby’s zu legen."

Es soll um 48 Werke gehen. Darunter Ölgemälde von Max Beckmann, allein 20 Arbeiten von Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein, Papierarbeiten von Erich Heckel, Christian Rohlfs, Ernst-Wilhelm Nay, Multiples von David Hockney, Ölgemälde von Georg Meistermann, Tuschezeichnungen von Ernst Wilhelm Nay, ein Gemälde "Figur Herodias" von Horst Antes sowie zwei Bilder des Kölner Malers Anton Räderscheidt.

Thomas Sternberg: "Offensichtlich wird auch beim WDR die Kunst vor allem unter finanziellen Aspekten betrachtet. Das Argument des Senders, das gehöre zum Sparkonzept verfängt nicht: Bei einem Einsparvolumen von 110 Mio. Euro jährlich ist der nur einmalig zu erzielende Gewinn aus den Verkäufen nur für ein einzelnes Jahr nahezu unerheblich. Wenn das Haushaltsgeld nicht reicht, ist der Verkauf des Familienschmucks im Effekt nur ein kleines Strohfeuer. Im WDR wurde immer auf die Kunst des Landes geachtet: in Architektur und Ausstattung der Bauten, in der Musik- und Literaturförderung und auch im Ankauf der Werke nordrhein-westfälischer Künstlerpersönlichkeiten. Der Verkauf zeigt mangelnde Sensibilität für die spezielle Kunstgeschichte des Landes Nordrhein-Westfalen und ist ein Affront gegenüber dem Gebührenzahler, aus dessen Beiträgen die Werke einmal gekauft wurden. Der Verkauf der Kunst des WDR ist ein falsches Signal, leistet keinen nachhaltigen Sparbeitrag – und ist überflüssig."
(Thomas Sternberg, CDU-Kreisverband Münster, 25.6.2015)

Der Direktor des Museum Ludwig, Ludwig Dziewior, zum Kunst-Verkauf: „Aus der Sicht des Museum Ludwig ist es ein großer Fehler, Kunstwerke, die mit Gebühren, also letztlich von der Bevölkerung erworben wurden, jetzt zu Marktpreisen zu veräußern. So wird das idealistische Unternehmen, Kunst zu fördern, auf seine rein merkantilen Aspekte reduziert.“
(30.6.2015 Kölner Stadt-Anzeiger)

Walter Vitt, war von 1980 bis 1998 politischer Redakteur und ehrenamtlicher Kunstbeauftragte des Senders. Während dieser Zeit hatte er rund 40.000 D-Mark im Jahr zur Verfügung. Vitt: "Gemessen an dem, was eingespart werden muss, wären die erzielten Erlöse nur ein Tropfen auf dem heißen Stein."
(Rheinische Post, 17.11.2015)

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sprach davon, dass Kunstwerke "wie Tafelsilber verscherbelt" und "hemmungslos zu reinen Spekulationsobjekten degradiert" würden. Grütters verwies auf den Kulturauftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalt. Und: "wenn schon Kunst nicht mehr als ein Kreativitätsfaktor im Sender geschätzt wird, sollte man die Kunstwerke wenigstens an Museen des Landes ausleihen".
(Kölner Stadt Anzeiger, 8.4.2016)

"Ob die Werke von Ernst Ludwig Kirchner, Max Beckmann oder Oskar Kokoschka demnächst in die Privathäuser der Programmverantwortlichen umziehen, lässt sich jedoch kaum feststellen: Die Werke werden anonym von Sotheby’s versteigert."
Russia today, 4.5.2016

* Wer ist die WDR Geschäftsleitung?
"Zur Geschäftsleitung des WDR gehören der Intendant Thomas Buhro, der Programmdirektor für Fernsehen, Jörg Schönenborn, die Programmdirektorin für Radio, Valerie Weber, der Direktor für Produktion- und Technik Wolfgang Wagner, die Verwaltungsdirektorin, Katrin Vernau sowie die Justiziarin und stellvertretende Intendantin, Eva-Maria Michel."
Verdienst der Geschäftsleiter/innen
"WDR-Intendant Tom Buhrow erhält ein Jahresgehalt von 359.300 Euro. Dazu darf er - wie alle Mitglieder der Geschäftsleitung - einen Dienstwagen nutzen, auch für private Fahrten. Tom Buhrow muss den geldwerten Vorteil des Dienstwagens selbst versteuern.
Der Intendant wird auch für seine Aufgaben in Aufsichtsgremien (z.B. Aufsichtsratsvorsitz Bavaria Film GmbH) honoriert. Er hat mit dem WDR-Verwaltungsrat vertraglich vereinbart, dass dafür erstmalig eine Regelung wie für Beamte und Richter im öffentlichen Dienst gelten soll: Danach darf der Intendant für diese Tätigkeiten Einkünfte über 6.000 Euro jährlich nicht behalten, sondern muss sie an den WDR abführen.
Die fünf WDR-Direktoren erhalten laut Geschäftsbericht 2014 ein jährliches Grundgehalt von 212.400 Euro. Es kann in manchen Fällen abweichen, zum Beispiel durch Kinderzuschläge. Zudem müssen die Direktoren - wie der Intendant - Dienstwagen als geldwerten Vorteil versteuern. Nutzen sie keinen Dienstwagen, hat der WDR bis zum Jahr 2014 als Ersatz eine steuerpflichtige PKW-Pauschale gewährt, die aber inzwischen nicht mehr gezahlt wird. Auch die Direktoren sind in verschiedenen Aufsichtsgremien von WDR-Beteiligungsgesellschaften vertreten. Sofern hierfür Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgeld oder Ähnliches gewährt werden, werden diese - soweit vorgesehen - in den Geschäftsberichten der jeweiligen Beteiligungsgesellschaft ausgewiesen."
Altersversorgung der WDR-GeschäftsleiterInnen
"Die Pensionsleistungen des WDR sind vergleichbar mit denen kommunaler Unternehmen ähnlicher Größe. Sie belasten den WDR-Haushalt effektiv weitaus geringer als vermutet. Rund die Hälfte der WDR-Rentenzahlungen speist sich ausschließlich aus Zinserträgen eines eigens für die betriebliche Altersversorgung gebildeten "Deckungsstocks". Dieser ist schon seit Jahrzehnten vorsorgend aufgebaut worden. Die Pensionen der WDR-Mitarbeiter, also auch die des Intendanten und der Direktoren, hängen von mehreren Faktoren ab: Zeit der Beschäftigung, Eintrittsdatum in den WDR, Tätigkeit in Voll- oder Teilzeit, Alter bei Ruhestand und Verdienst am Ende der WDR-Tätigkeit. Deshalb kann die Höhe der künftigen WDR-Altersrente des Intendanten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht konkret benannt werden."
Pensionsverpflichtungen
"Im Geschäftsbericht 2014 wird der so genannte Barwert der Pensionsverpflichtungen für Tom Buhrow mit 3,15 Mio. veranschlagt. Diese Summe ist jedoch ein theoretischer Wert. Sie ergibt sich aus der Berechnung der oben genannten Faktoren. Das ist bei allen Unternehmen üblich, die Betriebsrenten zahlen. Diese Pensionsverpflichtungen werden nicht auf einen Schlag ausgezahlt. Sondern der Intendant erhält später - genau wie alle anderen WDR-Mitarbeiter - eine monatliche Betriebsrente."
Barwert der Pensionsverpflichtungen
"Der Barwert der Pensionsverpflichtungen für die Mitglieder der WDR-Geschäftsleitung beträgt laut Geschäftsbericht 2014 insgesamt 15,16 Mio. Euro: für die WDR-Justiziarin und stellvertretende Intendantin Eva-Maria Michel (1,68 Mio.), für Verwaltungsdirektor Hans W. Färber (2,22 Mio. Euro - seit März 2015 im Ruhestand), für Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff (2,44 Mio., bis 31.3.2014 beim WDR), für Fernsehdirektor Jörg Schönenborn (1,62 Mio., ab 1.5.2014), für Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz (2,23 Mio., seit 30.4.2014 im Ruhestand) sowie für den Direktor für Produktion und Technik, Wolfgang Wagner (1,83 Mio. Euro). Hörfunkdirektorin Valerie Weber kam 2014 neu in die Geschäftsleitung. Sie war vorher nicht im WDR oder einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt beschäftigt. Deshalb wurde ihre Altersversorgungsleistung auf ein beitragsorientiertes System umgestellt. Für Valerie Weber wird monatlich eine vertraglich festgelegte Prämie in Höhe von 9.160 Euro für die Versorgung aufgewendet. Die Rückdeckung erfolgt über eine Pensionskasse der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die Höhe ihrer Pension wird sich aus dem eingezahlten und verzinsten Kapital zum Rentenbeginn ergeben."
Stand: 19.10.2015, Link

** Der WDR-Verwaltungsrat
"Der Verwaltungsrat besteht aus neun Mitgliedern, von denen sieben der Rundfunkrat wählt und zwei der Personalrat entsendet. Seine Mitglieder sind an Weisungen nicht gebunden und dürfen keine Sonderinteressen vertreten."

Link: 6.500ste Programmverschlechterung beim WDR stoppen
Quelle: diverse

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