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Altersdiskriminierung von Ärzten: KBV fühlt sich nicht zuständig

Königswinter, 2015 Foto: H.S.

15.02.2016 - von H.S.

Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß hatte laut Ärzteblatt die Idee, eine Altersgrenze für Kassenärzte einzuführen: Strauß, der 1988 im Alter von 73 Jahren als amtierender Ministerpräsident und CSU-Chef starb, wollte den Ärzten mit 65 die Kassenzulassung entziehen. Es dauerte ein bisschen, aber der Plan wurde umgesetzt.

Zwar nicht mit 65 sondern mit 68 Jahren wurde zwischen 1993 und 2008 mehr als 2.000 Ärzten die Zulassung als Vertragsarzt aus Altersgründen entzogen. Rechtsrundlage war der im Jahr 1993 verabschiedete § 95 SGB V. Er bestimmte, dass über 68jährigen Ärzte und Ärztinnen keine Kassenpatienten mehr abrechnen durften.

Als sich gut anderthalb Jahrzehnte später abzuzeichnen begann, dass ein Ärztemangel über das Land kommen würde, wurde die altersdiskriminierende Regel mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung still und leise im Herbst 2008 ausser Kraft gesetzt. Die Altersgrenze für Ärzte war aus der Welt. Willkür? Nein nein.

In der Begründung des Antrags von CDU/CSU und SPD hieß es: "Die bisherigen Erfahrungen mit Leistungserbringern, die über das 68. Lebensjahr hinaus Patientinnen und Patienten behandeln, rechtfertigen es, die Altersgrenze ganz aufzuheben."

Eine Übergangsvorschrift wurde etabliert, sie galt aber nur für Ärzte, die ihre Praxistätigkeit zwischen dem 1. Januar und dem 30. September 2008 hatten aufgeben müssen. Alle anderen Ärzte hatten das Nachsehen. Ihnen wurde, allein deshalb, weil ihr Lebensalter plötzlich und unerwartet als falsch angesehen wurde, die Zulassung entzogen, die freie Berufsausübung verwehrt und die wichtigste Einkommensquelle ohne jeden Schadensersatz genommen. Ärzte, die ihre Praxen nicht verkaufen konnten, kamen in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Nun ist die Kassenärtzliche Bundesvereinigung bekanntlich eine nicht zu knapp beitragspflichtige Standesorganisation für Mediziner. Sie vertritt deren Rechte als Vertragsärzte, und setzt sich in berufspolitischen Belangen gegenüber der Politik, dem Gesetzgeber und der Öffentlichkeit für die Rechte der Vertragsärzte ein, heißt es auf der Webseite.

Die Interessen von Ärzten, die durch § 95 SGB V an ihrer freien Berufsausübung gehindert wurden, werden von der KBV nicht vertreten. Das zeigt ein Schreiben, das die KBV im Dezember 2015 an einen von der staatlichen Altersdiskriminierung betroffenen Arzt schickte:

"... Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat den gesetzlichen Auftrag, die Interessen der Vertragsärzte zu vertreten. Dies kann sie allerdings nur im Rahmen der ihr gesetzlich zugewiesenen Möglichkeiten tun. Aus der Interessenvertretung als solche erwächst insbesondere nicht die prozessuale Möglichkeit, für Vertragsärzte Klagen zu erheben. Eine für eine Klageerhebung notwendige Klagebefugnis ergibt sich nur aus einer Verletzung der körperschaftlichen Aufgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Nur dann, wenn die Kassenärztliche Bundesvereinigung selbst inihren Rechten betroffen beziehungsweise verletzt worden ist, kann sie gegen die Verletzungshandlung Klage erheben. Für eine unmittelbare Klageerhebung beim Europäischen Gerichshof wäre demnach erfoderlich, dass der Streitgegenstand eine europarechtliche Norm oder eine Tätigkeit eines EU-Organs ist, welches die Rechte der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verletzt."

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Selbstauskunft KBV: "Die Gründung der Kassenärztlichen Vereinigungen geht auf Arbeitskämpfe und Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen bis zum Jahr 1931 zurück. Im Dezember werden die Körperschaften per Notverordnung geschaffen. Die Ärzte waren durch Einzelverträge in die Abhängigkeit der Kassen geraten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen als Vertragspartner stärkten ihre Position wieder. Nach der Machtergreifung schalten die Nationalsozialisten die gerade gegründeten Kassenärztlichen Vereinigungen gleich. 1955 werden sie mit dem Gesetz über das Kassenarztrecht wieder eingeführt und auch die KBV gegründet.

Die KBV ist der Dachverband der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen. Sie organisiert die flächendeckende wohnortnahe ambulante Gesundheitsversorgung und vertritt die Interessen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten auf Bundesebene.
Die KBV nimmt die Interessen der rund 165.000 freiberuflichen Vertragsärzte und Psychotherapeuten wahr, gibt Ihnen gegenüber Politik und Öffentlichkeit eine Stimme und bringt ihren Sachverstand in die gesundheitspolitische Diskussion ein. Sie setzt sich auf Bundeseben nicht nur dafür ein, dass Freiberuflichkeit, Niederlassungsfreiheit und freie Arztwahl gewahrt bleiben. ... Dass die KBV eine Körperschaft ist, macht sie einzigartig unter allen Formen der ärztlichen Interessenvertretung: Keine andere Ärzteorganisation kann einen solchen unmittelbaren Einfluss auf Politik und Gesetzgebung geltend machen." Siehe oben!

Link: Phantompatienten, Gesundheitsfonds,Kopfpauschale: Her mit dem Geld
Quelle: Post an die Redaktion