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Fidel Castro schreibt an den kubanischen Studentenverband

Cienfuegos, 2009 Foto: H.S.

31.01.2015 - von Fidel Castro

Liebe Genossen,
seit dem Jahr 2006 bin ich aus gesundheitlichen Gründen, die unvereinbar mit der Zeit und Mühe waren, die aufgebracht werden müssen, um eine Pflicht zu erfüllen, die ich mir vor 70 Jahren auferlegte, als ich am 4. September 1945 in die Universität eintrat, von meinen Ämtern zurückgetreten.

Ich war weder ein Arbeiterkind noch fehlte es mir an materiellen und sozialen Ressourcen, um ein relativ bequemes Leben zu führen. Ich kann sagen, dass ich wundersamerweise dem Reichtum entkommen bin.

Viele Jahre später erklärte der mit fast 100 Milliarden Dollar reichste und zweifellos sehr fähige US-Amerikaner, wie eine Nachrichtenagentur am 22. Januar veröffentlichte, dass das mit Reichtümern versehene Produktionssystem von Generation zu Generation die Armen in Reiche verwandeln
würde.

Seit den Zeiten des antiken Griechenland, vor fast 3.000 Jahren, waren die Griechen brillant in fast allem, was sie taten; Physik, Mathematik, Philosophie, Architektur, Kunst, Wissenschaft, Politik, Astronomie und andere Zweige
menschlichen Wissens. Griechenland war jedoch ein Gebiet, in dem die Sklaven die schwersten Arbeiten auf dem Land und in den Städten verrichteten, während eine Oligarchie sich dem Schreiben und Philosophieren widmete. Die
erste Utopie wurde ausgerechnet von ihnen verfasst.

Schaut euch die Realitäten dieses uns bekannten, globalisierten und sehr schlecht aufgeteilten Planeten Erde an, auf dem jede lebenswichtige Ressource aufgrund historischer Faktoren bekannt ist:
Einige haben viel weniger als sie benötigen, andere
so viel, dass sie gar nichts damit anzufangen wissen.

Jetzt, inmitten der großen Bedrohungen und Kriegsgefahren herrscht das Chaos bei der Verteilung der finanziellen
Ressourcen und bei der Aufteilung der gesellschaftlichen Produktion.

Die Weltbevölkerung ist zwischen 1800 und 2015 von einer Milliarde auf sieben Milliarden Menschen angewachsen. Wird man auf diese Weise den Bevölkerungsanstieg und die Bedürfnisse an Nahrung, Gesundheit, Wasser und Unterkunft in den nächsten hundert Jahren mit welchem wissenschaftlichem Fortschritt auch immer lösen können?

Also, wenn man diese hintergründigen Probleme einmal beiseite lässt, staune ich, wenn ich daran denke, dass die Universität von Havanna zu der Zeit, als ich in diese
geliebte und angesehene Institution vor fast einem Dreivierteljahrhundert eintrat, die einzige war, die es in Kuba gab.

Gewiss, liebe Studenten und Professoren, müssen wir uns klar machen, dass es sich heute nicht mehr um eine handelt, sondern dass wir auf mehr als 50 Hochschulzentren
zählen können, die über das ganze Land verteilt sind.

Als ihr mich einludet, an der 70-Jahr-Feier meines Eintritts in die Universität teilzunehmen, was ich überraschenderweise in einer Zeit erfuhr, in der ich mit diversen Themen beschäftigt war, bei denen ich vielleicht noch relativ nützlich sein kann, beschloss ich abzuschalten und einige Stunden der Erinnerung an jene Jahre zu widmen.

Der Gedanke, dass seither 70 Jahre vergangen sind, überwältigt mich. Ehrlich, Genossinnen und Genossen, wenn ich mich in jenem Alter erneut immatrikulieren würde, wie es einige von mir wissen wollten, würde ich Ihnen ohne zu zögern antworten, dass ich eine naturwissenschaftliche Laufbahn einschlagen würde. Bei meinem Abschluss
würde ich wie Guyasamín sagen; Lasst mir ein erleuchtetes Lämpchen.

In jenen Jahren gelang es mir, bereits von Marx beeinflusst, mehr und besser die seltsame und komplexe Welt zu verstehen, in der es uns allen zufiel, zu leben. Ich konnte auf die bürgerlichen Wunschträume verzichten, deren Tentakel es schafften, viele Studenten zu umschlingen, als sie wenig Erfahrung und mehr Inbrunst besaßen. Das wäre ein weitläufiges und unendliches Thema.

Ein anderes Genie der revolutionären Aktion, der Gründer der Kommunistischen Partei, war Lenin. Deswegen zögerte ich nicht eine Sekunde, als ich beim Moncada-
Gerichtsprozess, an dem man mir, wenn auch nur ein einziges Mal, erlaubte teilzunehmen, vor Richtern und Dutzenden von hohen Offizieren Batistas erklärte, dass wir
Leser Lenins seien.

Über Mao Tse Tung sprachen wir nicht, weil die Sozialistische Revolution in China, die von identischen Absichten inspiriert war, noch nicht abgeschlossen war.Ich warne jedoch, dass die revolutionären Ideen immer auf der Hut sein müssen, während die Menschheit ihre Kenntnisse vervielfacht.

Die Natur lehrt uns, dass Dutzende von Milliarden Lichtjahre vergangen sein können und das Leben in jeder seiner Form immer an die unglaublichsten Materien – und
Strahlenkombinationen gebunden ist.

Zu einem persönlichen Gruß der Präsidenten Kubas und der Vereinigten Staaten kam es bei der Beerdigung von Nelson Mandela, dem vorzüglichen und beispielhaften Kämpfer gegen die Apartheid, der mit Obama befreundet war. Es soll genügen, darauf hinzuweisen, dass zum damaligen Zeitpunkt bereits mehrere Jahre vergangen waren, seit die kubanischen Truppen auf überwältigende Weise die
rassistische Armee Südafrikas besiegt hatten, das durch eine reiche Bourgeoisie mit enormen wirtschaftlichen Mitteln regiert wurde. Dies ist die Geschichte eines Kampfes, die noch geschrieben werden muss. Südafrika, die Regierung mit den größten Finanzressourcen dieses Kontinents, verfügte über Atomwaffen, die vom rassistischen
Staat Israel geliefert worden waren. Dies beruhte auf einem Abkommen zwischen jenem und Präsident Ronald Reagan, der die Übergabe der Anlagen zur Nutzung solcher Waffen autorisierte, mit denen die kubanischen und angolanischen
Truppen geschlagen werden sollten, die die Volksrepublik Angola gegen die Besetzung dieses Landes durch die Rassisten verteidigten. Somit waren jegliche Friedensverhandlungen ausgeschlossen, solange Angola durch die Apartheid-Truppen der am besten ausgebildeten und ausgerüsteten Armee des afrikanischen Kontinents angegeriffen wurde.

In einer solchen Situation gab es keinerlei Möglichkeit einer friedlichen Lösung. Die unaufhörlichen Anstrengungen zur Vernichtung der Volksrepublik Angola, um sie mit
der Macht jener gut ausgebildeten und ausgerüsteten Armee systematisch ausbluten zu lassen, war bestimmend für die Entscheidung Kubas, einen entscheidenden Schlag gegen die Rassisten in Cuito Cuanavale auszuführen, einem ehemaligen Nato-Stützpunkt, dessen Einnahme Südafrika um jeden Preis anstrebte.

Jenes mächtige Land wurde gezwungen, einen Friedensvertrag auszuhandeln, der der militärischen Besetzung Angolas und der Apartheid in Afrika ein Ende setzte.

Der afrikanische Kontinent wurde von Atomwaffen bereinigt. Kuba musste zum zweiten Mal dem Risiko eines atomaren Angriffs begegnen. Die kubanischen internationalistischen Truppen zogen sich ehrenvoll aus Afrika zurück.

Danach kam die Sonderperiode in Friedenszeiten über uns, die bereits seit über 20 Jahren andauert, ohne dass wir die weiße Flagge gehisst hätten, etwas, das wir nicht getan haben und auch niemals tun werden.

Viele Freunde Kubas kennen das Beispiel gebende Verhalten unseres Volkes, und ihnen erläutere ich meine wesentliche Position in kurzen Worten.
Ich vertraue nicht der Politik der Vereinigten Staaten und habe kein Wort mit ihnen gewechselt, was durchaus keine Ablehnung einer friedlichen Verhandlungslösung der Konflikte und Kriegsgefahren bedeuten soll.

Die Verteidigung des Friedens ist eine Pflicht aller. Jede friedliche Verhandlungslösung der Probleme zwischen den Vereinigten Staaten und den Völkern bzw. jedes Volkes Lateinamerikas, die keine Gewalt oder die Anwendung von Gewalt einschließt, muss in Übereinstimmung mit den internationalen Prinzipien und Normen behandelt werden.

Wir werden immer die Zusammenarbeit und die Freundschaft mit allen Völkern der Welt verteidigen, und unter ihnen mit denen unserer politischen Gegner. Das ist, was wir von allen erwarten.

Der Präsident Kubas hat aufgrund seiner Vorrechte und Befugnisse, die ihm die Nationalversammlung und die Kommunistische Partei Kubas verleihen, die entsprechenden
Schritte unternommen.

Die ernsten Gefahren, die die Menschheit heute bedrohen, sollten Normen weichen, die im Einklang mit der Menschenwürde stehen. Von diesen Rechten ist kein Land
ausgeschlossen.

In diesem Geist habe ich gekämpft und werde ich bis zum letzten Atemzug weiterkämpfen.
Fidel Casstro

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Der kubanische Revolutionsführer richtete sich an den FEU aus Anlass des 70. Jahrestages seines Eintritts in die Universität von Havanna
Übersetzung: Granma
Quelle: cubadebate.cu)

Quelle: cubadebate.cu