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Kölner Prozeß gegen Ford-Genk-Mitarbeiter - Urteil

Lüttich, 2012 Foto: H.S.

05.11.2014 - von Hanne Schweitzer

Es ging um seinen Arbeitsplatz. Herr C., war zusammen mit knapp 200 belgischen Ford-Mitarbeiter aus Genk in Belgien im November 2012 nach Köln gekommen, um gegen die Schließung des Ford-Werks in Genk/Flandern und die daraus folgende Entlassung von 4.000 Mitarbeitern zu demonstrieren. Vor Tor 3 der Kölner Fordwerke kamen die Busse mit den demonstrierenden Fordkollgen aus Belgien an. Dort tagte der europäische Betriebsrat von Ford.

Am heutigen Mittwoch war nun der zweite, und wie sich gegen 16.30! herausstellen sollte, auch der letzte Prozesstag in Köln. Zwei Einlasskontrollen waren zu passieren, wieder wurde der Perso von beiden Seiten gescannt und fürs Mobiltelefon und die Kamera oder spitze Gegenstände gab`s ein Kärtchen. Das dauerte. Und so ergab sich die Möglichkeit, eine belgische Anwältin, die als Prozessbeobachterin aus Antwerpen angereist war, danach zu fragen, was es denn mit dem Schlöppchen des belgischen Anwalts auf sich hat.

Alle sieben, die wie auf einen Streich am ersten Prozeßtag nicht erschienen waren, kamen. So wie alle am ersten Prozesstag unpässlich waren, waren sie am 2. putzmunter und konnten vom Richter, der Staatsanwältin und dem Verteidiger befragt werden.

Egal, ob es der Arbeitsdirektor der Kölner Fordwerke, Rainer Ludwig war, dem Fragen gestellt wurden, oder drei Mitarbeiter vom Werkschutz, oder einer von der Ford-Feuerwehr: jeder von ihnen hatte etwas anderes gesehen oder wahrgenommen. Selbst die zwei Polizisten, die mit Kapuzenpulli vor Gericht erschienen, und während der Demonstration "in Zivil" vor Ort gewesen waren, um sich unter den harten Kern der Demonstranten zu mischen, erzählten Unterschiedliches. Auch die Aussagen einer Polizeibeamtin halfen nicht viel weiter. Ihr Job hatte darin bestanden, NACH der Demo die Medienberichte plus mehr als 130 nummerierte Polizeifotos der Demonstraten auszuwerten, um Straftaten und ihre Verusacher nachzuweisen,

Die Zeugen relativierten und legten sich nicht fest. Sie wiesen darauf hin, dass die Demonstranten schließlich Kollegen waren, weshalb die Situation nicht eskalieren sollte. Der Einsatz eines Wasserwerfers war ein "nogo", ebenso Strafanzeigen seitens der Firma Ford.

Übereinstimmungen bei den Zeugenaussagen gab es nicht. Wie oder durch wen, die Scheibe im 1. Stock des Direktionsgebäudes zu Bruch ging, konnte nicht geklärt werden, die dortigen Mitarbeiter waren vom Werkschutz evakuiert worden. Auch wurde nicht geklärt, wie es dazu kam, dass die belgischen Arbeiter, aber welche? - durch Tor 3 auf`s Werksgelände und ins Gebäude A gelangt waren.

Trotzdem verurteilte der Kölner Richter Krebber den Angeklagten C., der von keinem Zeuge belastet worden war. Zwar äußerte er ein gewisses Verständnis für die besondere Situation, in welcher sich der Angeklagte wegen des absehbaren Verlustes seine Arbeitsplatzes sicherlich befand, aber im Namen des Volkes wurde er dann doch mit einer vom Richter so genannten "milden Sanktion" diszipliniert.

Nicht wegen Landfriedensbruch.
Nicht wegen Sachbeschädigung.
Nicht wegen Hausfriedensbruch.
Nicht wegen Beihilfe zur Nötigung

Der belgische Ford-Genk-Mitarbeiter wurde wegen "Verstoß gegen das Versammlungsgesetz" verurteilt. Das Gesetz verbietet jedwede Vermummung. Herr C. habe aber seinen grünen Schal nicht nur in der Nähe der brennenden Reifen vor dem Gesicht gehabt, sondern auch auf dem Werksgelände und im Direktionsgebäude, wo es nicht rauchig war.

Die Strafe wurde auf Bewährung ausgesetzt. Will sagen: Verstößt Herr C. binnen eines Jahres in diesem Land gegen die Bewährungsauflagen, muss er eine Geldstrafe von 600,00 Euro zahlen, also 30 Tagessätze à 20 Euro.* Eine Berufung gegen das Urteil ist möglich.

Ach ja, die Sache mit den Schlöppchen. Belgische Anwälte und Anwältinnen müssen eine Robe mit Schlöppchen tragen. Vorschrift ist es auch, dass am Ende des Schlöppchens ein Stück weißes Fell ist. Das kann echt sein oder auch synthetisch. Die Funktion des Schlöppchens besteht darin, dass es dem Richter signalisiert, ob der Verteidiger etwas sagen will oder nicht. Will er mit dem Richter sprechen, trägt er die beiden Schlöppchen hinten auf dem Rücken. Will er das nicht, trägt er sie auf dem Bauch.
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* Am zweiten Prozeßtag waren es dann 30 Tagessätze à 30 Euro, also 900 Euro.

Link: Ford-Genk-Prozeß: Von acht Zeugen kommt nur einer
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung