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Netzbetten in Österreich verboten, Zwangsbesachwaltungen gehen weiter

Österreich - 09.10.2014 - von Christine Götz, Initiative proEthos

Christine Götz schreibt für die Initiative proEthos
in Österreich einen Brief an den für das Recht zuständigen Minister.

Sehr geehrter Herr Justizminister Brandstetter!
Endlich wurde also mit der Abschaffung der Netzbetten einer der Forderungen der UNO in Bezug auf die Menschenrechtsverletzungen in Österreich nachgekommen. Wie lange wird es jedoch noch dauern, bis man auch die von der UNO im Rahmen der Staatenprüfung Österreichs im September 2013 zu Recht angeprangerte Sachwalterschaft, welche hierzulande nach wie vor abertausenden Bürgern und Bürgerinnen die Grund- und Menschenrechte auf Selbstbestimmtheit, Privat- und Familienleben, freie Wahl des Wohnorts und Privateigentum raubt, verbietet?

Zitat aus den Handlungsempfehlungen der UNO: >Gleiche Anerkennung vor dem Recht (Art. 12): ( ... ) Das ist insbesondere deshalb besorgniserregend, weil die österreichische Gesetzgebung zur Sach-walterschaft veraltet erscheint und scheinbar mit Artikel 12 der Konvention nicht Schritt halten kann. ( ... ) Das Komitee empfiehlt, dass die fremdbestimmte Entscheidungsfindung durch unterstützte Entscheidungsfindung ersetzt wird. Das Komitee empfiehlt Österreich, mehr zu unternehmen um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu unterstützter Entscheidungsfindung haben und nicht unter Sachwalterschaft gestellt werden.<

Jene untragbaren Missstände in Österreich hat nicht nur die UNO verurteilt, sondern es gibt seit vielen Jahren immer wieder kritische Stimmen wie z. B. vom ehemaligen Leiter der Staatsanwaltschaft Wien, Dr. Werner Olscher*, sowie Volksanwältin Dr. Brinek*, welche die (trotz einer im Jahr 2007 erfolgten Reform des Sachwaltergesetzes) seit Jahren andauernden menschenrechtswidrigen und menschenverachtenden Praktiken im Bereich der so genannten Sachwalterschaft aufzeigen. Auch der ehemalige Pflege-Ombudsmann Dr. Werner Vogt übte wiederholt Kritik:

> ( ... ) Es erscheint ein ärztlicher Gutachter, es entscheidet das Bezirksgericht. Tausende von Österreichern werden auf diese Art entmündigt. Es wird ihnen das Recht abgesprochen, den eigenen Verstand zu gebrauchen. Der fremde Verstand, der Sachwalterverstand, zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht da, nicht anwesend, nicht verfügbar ist. Es gibt Anwaltskanzleien in Wien, die bis zu 2000 Sachwalterpatienten „betreuen“, im Grunde genommen jedoch alle vernachlässigen. Gesetzlich vorgeschrieben wäre ein direkter Kontakt mit dem Pflegepatienten, durchgeführt wird er praktisch nie. ( ... ) So kommen die Entsicherten, Entrechteten, Entmündigten nicht einmal zu den paar Groschen, die ihnen verbleiben, wenn bezahlt worden ist, was Pflege kostet. Wir haben dieses Unrecht im Justizministerium vorgetragen. Man hat uns Recht gegeben. Auch die Richter haben uns Recht gegeben. ( ... ) Der Entsicherung folgt eine übermedikalisierte Pflege, die in dieser Form nicht nötig ist, die eine Form struktureller Gewalt darstellt. ( ... ) Dieses Dasein ist unzumutbar.< (Falter, 16. 8. 2006)

Seit dieser von Dr. Vogt getätigten Aussage hat sich an jenen Zuständen nichts geändert, und es muss daher die Frage gestellt werden: Wie lange noch? Wie lange müssen unbescholtene österreichische Bürger und Bürgerinnen und SteuerzahlerInnen noch Angst haben, spätestens im Alter fremden Personen und Institutionen, welche ihnen ihre Grund- und Menschenrechte aberkennen und auf diese Weise ein lebenswertes Leben verunmöglichen, hilflos ausgeliefert zu sein?

Doch nicht nur ältere oder hilfsbedürftige Menschen müssen sich fürchten, im Zuge einer drohenden Zwangsbesachwaltung ihre Grund- und Menschenrechte zu verlieren - zunehmend wird dieses Instrument auch gegen Menschen angewendet, welche um ihre Rechte kämpfen, wie im aktuellen Fall einer Wiener Juristin (Name bekannt). In einem anderen Fall eines in einem Sorgerechtsstreit um seine Rechte kämpfenden Vaters, welcher im Zuge dessen zwangsbesachwaltet wurde und als Entmündigter weiterhin als Ingenieur bei der Österreichischen Flugsicherung tätig war (!), gab es sogar eine Parlamentarische Anfrage: http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/J/J_07621/fname_205998.pdf

Mit dem dringenden Ersuchen, auch in diesem Bereich endlich eine menschenrechtskonforme und bürgernahe Änderung herbeizuführen und
mit freundlichen Grüßen,
Christine Götz
Initiative proEthos


U. a. auch die Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé sowie die Volksanwälte Mag. Stadler und Dr. Brinek, bei welchen unzählige Beschwerden über Sachwalterschaften eingingen, machten in den letzten Jahren immer wieder insbesondere auch das Justizministerium auf die gravierenden Missstände und die oftmals missbräuchliche Anwendung der Sachwalterschaft aufmerksam: >( ... ) Kritisiert wird von Partik-Pablé, dass die Entschädigung des Sachwalters nicht mit einem Fixbetrag festgeschrieben wird. Derzeit hängt dies vom Vermögen ab. "Dadurch ist der Sachwalter nicht interessiert, dass der Betroffene sein Vermögen verbraucht", erläutert die Abgeordnete.< (Wien, kobinet, 14. 1. ´06)


*>Volksanwältin Gertrude Brinek stellte fest, dass Beschwerden in Hinblick auf den Bereich Sachwalterschaft zunehmend häufiger vorkämen und die diesbezüglichen Informationsmaterialien der Volksanwaltschaft stark nachgefragt würden. Viele BürgerInnen stellten schließlich mit Erstaunen fest, wie schnell ein Sachwalter bestellt werden könne, und dass ein solcher nicht zur Bewältigung der Probleme des alltäglichen Lebens der Betroffenen beitrage. Kritik werde außerdem daran laut, dass Angehörige keine Parteistellung haben und Kontakte zu den jeweiligen SachwalterInnen häufig nicht persönlicher Natur sind. Die mit Abstand meisten Beschwerden beziehen sich dabei auf SachwalterInnen aus Rechtsberufen, die dieser Tätigkeit gewerbsmäßig und nebenbei nachgehen.< (APA-OTS 22. 06. 2011)

* Familienhilfe geht also der Sachwalterschaft vor! Und das ist wohl auch gut so! (Prof. Dr. Werner Olscher unter Bezugnahme auf § 268 Abs. 2 ABGB, DAS-Konsulent, 11/07)

>Ämter veranlassen immer schneller Entmündigungen. ( ... ) Unter Kuratel kommen Senioren, störrische Schuldner, Sonderlinge, lästige Bürger, junge Erwachsene in schweren Lebenskrisen. Selbst das Parlament sieht Auswüchse. ( ... ) Seit den 90er-Jahren explodiert in Österreich die Zahl der Menschen, die einen Sachwalter haben. ( ... ) Die Bestellung eines Sachwalters ist ein dramatischer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und die Integrität, auch wenn es den alten Justizbegriff „Entmündigung“ nicht mehr gibt. ( ... )< (Salzburger Fenster, 12/´07)

Am 02.09.2014 um 10:46 schrieb BIZEPS-INFO Newsletter:

Liebe Leserinnen und Leser des BIZEPS-Newsletters!
Endlich: Netzbetten werden In Oesterreich verboten!
Lange hat es gedauert - nun ist es aber passiert. Gesundheitsministerium verbietet den Einsatz von Netzbetten.
http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=15160

Koenigsberger-Ludwig begruesst Netzbetten-Verbot
http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=15163

Mueckstein: Verbot von Netzbetten zu begruessen - Personal und Platzangebot noch zu wenig
http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=15162

OEVP-Korosec ad Netzbetten: Stadt Wien zeigt nach Jahren der Sturheit endlich Einsicht
Untersuchungskommission auf Druck der Opposition hat bereits 2008 eine Abschaffung gefordert
http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=15161

Link: Österreich: Wie sich Sachwalter bereichern können
Quelle: Mail an die Redaktion