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Szenen aus einem Bremer Pflegeheim

Bad Wildbad, 2013

27.06.2014 - von GF

Im Augenblick hat die Bremer Seniorenvertretung einiges zu tun mit Beschwerden über Altersdiskriminierung und misslichen Zuständen in Pflegeheimen. Am 02. Juni 2014 erreichte uns ein weiteres Schreiben aus Huchting über negative Erfahrungen mit einer dortigen Heimpflege.

Der Brief einer besorgten Ehefrau enthält einige scharfe Formulierungen über den schlechten Zustand ihres Mannes. Manche Aussage mag vielleicht überzogen sein, aber die Diktion spiegelt eben Zorn und Ohnmacht wider. Harte Äußerungen von Angehörigen sollte man nicht empört zurückweisen, sondern sehr ernst nehmen, weil sie in der Regel erst dann fallen, wenn das Gefühl der Hilflosigkeit unerträglich geworden ist.

Der demente Ehemann ist gestürzt und hat sich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen. Damit war seine Mobilität zuende, er sitzt nun im Rollstuhl und ist auf ständige Hilfe angewiesen. Der Einzug in ein Pflegeheim war unvermeidbar. Als erste Maßnahme sollte er dort fixiert werden, um weitere Unfälle auszuschalten. Als Alternative konnte die Ehefrau für ihn eine Schutzhose aushandeln, die allerdings 70€ kostete.

In der ersten Woche fiel der Ehefrau schon auf, dass die Körperpflege des Patienten zu wünschen übrig lässt. Es stellten sich auch Ernährungsprobleme ein, wobei die Ratschläge der mit den Essgewohnheiten des Mannes vertrauten Ehefrau weitgehend unbeachtet blieben. Die Folge war, dass der Appetit des Patienten nachließ und er an Gewicht rapide abnahm. Besuche zu verschiedenen Zeiten ergaben stets den gleichen Eindruck: ungepflegtes Aussehen des Ehemanns, verschmutzte Bekleidung, seltenes Wechseln der Oberkleidung, im Bad herumliegende Einlagen von der Nacht, penetranter Geruch. Nach zwei Wochen wurden von einer Psychiaterin Medikamente verschrieben, wohl um ihn ruhig zu stellen. Die Ehefrau beobachtet, dass viele der Heimbewohner sehr inaktiv und stumpf herumsitzen, und sie hört, dass man dafür die Bezeichnung „es totelt“benutzt. Da herrscht wohl ein eigentümlicher Humor!

Mangelnde Hygiene im Heim, zeitgestresste Mahlzeiten und Überforderung des Pflegepersonals – es sollen nur zwei Pflegekräfte auf einer Pflegestation mit 28 (!) BewohnerInnen eingesetzt sein -, das alles scheint nach Ansicht der Ehefrau auch Angehörigen anderer Heimbewohner keine menschenwürdige Behandlung mehr zu garantieren. Als Außenstehender fragt man sich allerdings, warum da kein
massiver Protest geschieht.

Die Bremer Seniorenvertretung weiß, dass man vorsichtig mit solchen Vorgängen umgehen muss; denn die Erwartungen der Heimgäste und ihrer Angehörigen sind manchmal überspannt, und ihre Aussagen und Reaktionen auf bestimmte
Vorgänge entsprechen auch nicht immer den Tatsachen. Anderseits ist auch der Heimbetrieb nicht immer zufriedenstellend, und es herrscht oft Angst vor Repressalien. Die SV ist verpflichtet, solchen Beschwerden nachzugehen, und gibt er sie direkt an die Bremer Wohn- und Heimaufsicht weiter, damit die jeweiligen Vorwürfe sachlich
geklärt werden. So haben wir auch diesen Brief weitergeleitet. Schaun wir mal, ob seitens des betroffenen Heims wieder von einem Einzelfall gesprochen wird.
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Der Bremer Seniorenvertretung, die diesen Beitrag in ihrer Zeitung "Durchblick" veröffentlicht hat, sei dafür herzlich gedankt. Leider halten sich die meisten Seniorenvertretungen bei diesem Thema vornehm zurück.

Link: Frau A. kriegt frische Wäsche aber keine Pflege
Quelle: DURCHBLICK Nr. 174 – Juli 2014