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Gesetz gegen Altersdiskriminierung ist wichtig

28.10.2004 - von Hanne Schweitzer

Die BürgerInnen dieses Staates wollen vor Altersdiskriminierung geschützt werden. Deshalb brauchen sie ein individuelles Klagerecht und ein Gesetz gegen Altersdiskriminierung, auf das sie sich beziehen können.

Es kann nicht angehen, dass man hierzulande jenseits der 70 als Minister oder Rechtsanwalt noch problemlos berufstätig sein kann, aber als NormalbürgerIn mit 60 in den Vorruhestand komplimentiert wird.

Es kann nicht angehen, dass ein Arzt mit 68 seine Kassenzulassung verliert, während eine Hebamme bis 70 arbeiten kann, und ein Therapeut schon mit 50 als zu alt gilt, um eine eigene Praxis aufzumachen.

Es kann nicht angehen, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft Stipendiaten nach dem Alter aussiebt. Es kann nicht angehen, dass man mit 34 als zu alt für den gehobenen Beamtendienst gilt, mit 32 als zu alt, um eine Laufbahn bei der Polizei zu beginnen und mit 31 angeblich zu alt ist, um beim Auswärtigen Amt anzufangen.

Und wieso kann Kanzler Schröder mit 60Jahren ein kleines Kind adoptieren, wenn andere BürgerInnen dies aus Altersgründen verwehrt wird?

Der Neoliberalismus verlangt Deregulierung, die EU verlangt Regulierung. Die EU-Komission hat deshalb (mit bundesdeutscher Zustimmung) im Jahr 2000 Richtlinien gegen Diskriminierung verabschiedet. Auf dieser Grundlage müssen alle Mitgliedstaaten der EU Regelungen erlassen, die BürgerInnen vor Diskriminierung schützen, auch vor Altersdiskriminierung.

Diese Richtlinien sind stellenweise wörtlich aus dem angloamerikanischen bzw. australischen Recht übernommen worden. Das macht den deutschen JuristInnen große Probleme. Mit diesem Problem sind jedoch nicht nur bundesdeutsche Rechtsgelehrte konfrontiert. Allerdings ist man in anderen Staaten nicht so ablehnend und untätig wie hier.

Der Europäische Gerichtshof hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet, weil das Justizministerium noch nicht eine einzige Zeile bei der EU abgegeben hat. Das Antidiskriminierungsgesetz hätte 2003 verabschiedet sein müssen. Zwar hat die Regierung eine Verlängerung bis 2006 für den Bereich Beruf und Beschäftigung und Alter beantragt, aber die anderen Gründe für häufige Diskriminierung hat sie immer noch nicht umgesetzt. Bislang gibt es nicht mal einen Gesetzentwurf.

Woher kommt diese Verzögerung? Möglicher Grund: Der BDA, das ist der Bund deutscher Arbeitgeber, hat sich entschieden gegen den ersten Antidiskriminierungs-Gesetzentwurf von Herta Däubler-Gmelin aus dem Jahr 2002 ausgesprochen. Herrr Hundt, Chef des BDA, gab der Zeitung Die Welt zu Protokoll, dass er „die Strangulierung der Wirtschaft“ fürchtet, wenn das grundgesetzlich garantierte Gleichheitsgebot hierzulande in einfaches Recht umgesetzt wird.

Möglicher weiterer Grund: Brigitte Zypries, derzeitige Justizministerin, vertritt eine ähnliche Position wie der BDA: Antidiskriminierungsgesetz ja o.k., das muss ja wohl sein, wegen der EU, aber möglichst folgenlos, und bloß nicht innovativ. Möglicher weiterer Grund: Renate Schmidt, unter anderem Seniorenministerin, deren Haus die Federführung für den Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes hat, Renate Schmidt hat sich bislang überhaupt noch nicht inhaltlich zum Schutz der BürgerInnen vor Altersdiskriminierung geäußert.

Das Büro gegen Altersdiskriminierung fordert die Aufnahme des Merkmals Lebensalter in das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes: "Niemand darf wegen seines Lebensalters benachteiligt werden". Nur durch die Aufnahme dieses Satzes ins Grundgesetz, kann Altersdiskriminierung durch staatliches Handeln unterbunden wwerden.

Das Büro gegen Altersdiskriminierung fordert seit seiner Gründung im Jahr 1999 ein Gesetz gegen Altersdiskriminierung. Das ehrenamtlich arbeitende Büro hat u.a. durch den ersten bundesweiten Beschwerdetag zum Thema Altersdiskriminierung empirisch belegt, in welchen gesellschaftlichen Bereichen Altersdiskriminierung vorkommt. Das Büro hat nachgewiesen, dass Altersdiskriminierung nicht nur „alte“, sondern BürgerInnen jeden Alters trifft bzw. treffen kann.

Was hierzulande mühsam, ohne Unterstützung der Gewerkschaften, gegen den Widerstand von BDA und diverser Ministerien gefordert werden muss, nämlich die Aufnahme von „Lebensalter“ in ein Antidiskriminierungsgesetz, das ist in anderen Staaten ganz selbstverständlich. Zum Teil schon seit vielen Jahrzehnten.

Umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung gibt es in Kanada seit den 50iger Jahren des letzten Jahrhunderts. In den USA sind alle BürgerInnen jenseits der 40 seit 1967 vor Altersdiskriminierung im Berufsleben, bei den Betriebsrenten und bei den Krankenversicherungen geschützt. Schon 1984 wurde in Washington der Zwangsruhestand abgeschafft. Seitdem kann jeder Bürger selbst entscheiden, wann er/sie aufhören will, zu arbeiten. 1991 wurde in Australien ein umfassendes AD-Gesetz verabschiedet. Die BürgerInnen sind seitdem aus 13 unterschiedlichen Gründen vor Diskriminierung geschützt. In Irland gibt es AD-Gesetze seit den 90iger Jahren. In Großbritannien ebenfalls seit den 90iger Jahren. In Finnland seit 2002. In Ungarn seit 2003. In Belgien seit 2003.

Sind wir EU-Bürger 2. Klasse???

Wir fordern deshalb ein Antidiskriminierungs-Gesetz, das die volle Gleichstellung für mindestens die acht Merkmale gewährleistet, welche in Artikel 13 des Amsterdamer Vertrags aufgeführt sind. Dazu gehört auch das „Lebensalter“.

Wir fordern ein Antidiskriminierungs-Gesetz, das jede direkte und indirekte Diskriminierung und jede Belästigung wegen des Lebensalters verbietet.

Wir fordern ein Antidiskriminierungsgesetz, das jede Anweisung zur Diskriminierung wegen des Lebensalters verbietet.

Wir fordern ein Antidiskriminierungsgesetz mit präzisen Beschreibungen der Diskriminierungsformen und mit eindeutigen Definitionen des Geltungsbereichs.

Wir fordern ein Antidiskriminierungsgesetz für die Bereiche: Waren und Dienstleistungen, Beschäftigung und Beruf, Aus- und Weiterbildung, Gesundheitsversorgung, Öffentlicher Dienst, staatliche und private Alterssicherungssysteme, Betriebsrenten.

Wir fordern ein AD-Gesetz mit abschreckenden und wirksamen Sanktionen.

Wir fordern ein AD-Gesetz das Diskriminierten Schadensersatz garantiert.

Wir fordern ein AD-Gesetz, das den individuellen wie den kollektiven Zugang zur Rechtsdurchsetzung gewährleistet.

Wir fordern, dass sich die 2. Regierung Schröder mit der Arbeit beeilt.

Link: AGG wird fünf, Novellierung fällig…
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung