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Daimler: Vorsicht Betriebsrentenfalle!

29.09.2012 - von Georg Rapp, Ersatzbetriebsrat

Der Fall: Ein Kollege macht bei Daimler eine technische Ausbildung. Diese schließt er 1998 ab. Er wird anschließend in die Produktion übernommen. Er erwirbt einen unverfallbaren Anspruch auf DB-Rente.2007 wird der ERATarifvertrag
eingeführt. Aus Arbeitswerten werden Entgeltgruppen. 2008 wird rückwirkend ebenfalls zum 1.1.2007 aus der DB-Rente das Versorgungskapital.

Der Kollege bekommt - wie alle vor dem 1.1.2007 Beschäftigten - einen Startbaustein in Höhe seines rechnerischen Anspruchs aus der DB-Rente, wenn er bis 63 Jahren beim Daimler durchhalten würde. Außerdem einen Baustein Übergangsgeld.

Dann beschließt der Kollege, sich weiterzubilden. 2009 scheidet er im Rahmen des Qualifizierungstarifvertrags mit Wiedereinstellungszusage aus. Bis dahin ist sein Versorgungskonto auf gut 60.000€ angewachsen. Nach 10 Monaten ist seine Qualifizierungsmaßnahme abgeschlossen. Er wird wieder
eingestellt.

Und stellt fest, dass seine Altersvorsorgezusage um rund 30.000€ gekürzt wurde. Praktisch halbiert.

Was war geschehen?
Bei seinem Ausscheiden wurde sein Startbaustein und das Übergangsgeld jeweils um den noch nicht "erdienten" Anteil gekürzt. Erdient ist das, was ihm aufgrund seiner bisherigen Beschäftigungsjahre bereits zusteht. Nicht "erdient" ist der Teil, für den er die restlichen Jahre bis dieses Geld ist beim Ausscheiden weg! Unwiederruflich! Unwiederbringbar! Auch bei Wiedereinstellung!

Der nicht "erdiente" Anteil - also der, den man beim Ausscheiden verliert - ist naturgemäß umso größer je jünger man ist, wenn man mal vorübergehend den Betrieb verlässt.

Nicht nur beim Qualifizierungstarifvertrag scheidet man - mit Wiedereinstellungszusage - erst mal aus dem Betrieb aus. Sondern zum Beispiel auch bei Inanspruchnahme von Familienzeit. Im Unterschied zur Elternzeit, bei der das
Arbeitsverhältnis ruht und der Betriebsrentenanspruch nicht gekürzt wird. Sowohl bei Weiterbildung als auch bei Familienzeit sind die Betroffenen tendenziell jünger. Und deshalb auch stärker von diesen Kürzungsmaßnahmen
betroffen.

Keine Warnung vor den Folgen
Neben diesem exorbitanten Geldverlust ist vor allem ärgerlich, dass dieser Zusammenhang nicht kommuniziert wird. Dabei hat sich der Kollege vorab erkundigt, ob ihm durch sein vorübergehendes Ausscheiden Nachteile entstehen würden. Zum Beispiel, in welches Vergütungsmodell er bei Wiedereinstellung
käme. Oder ob er bei der Betriebsrente verlieren würde. Das
wurde vom P-Bereich verneint. Aber halt nur am Telefon. Hätte er geahnt, in welcher Größenordnung ihm Geld verloren gehen wird, wegen gerade mal zehn Monaten, die er vorübergehend
ausscheiden würde, er hätte seine Qualifizierung in Teilzeit gemacht.

Und auch die Koryphäen des Gesamtbetriebsrats, die diesen Mist ausgehandelt haben, fanden es nicht nötig, die Beschäftigten von dem drohenden Rentenverlust in diesem Zusammenhang zu warnen.

Wir empfehlen jedem, der vorübergehend mit Wiedereinstellungszusage aus dem Betrieb ausscheiden will oder
muss: erkundigt euch genau nach den Folgen. Macht es schriftlich, damit ihr danach etwas in der Hand habt. Dann
werden sich auch die Personaler genauer überlegen, welche Auskunft sie euch geben über Angelegenheiten, über die sie manchmal gar nicht richtig Bescheid wissen. Auch im P-Bereich
tut Qualifizierung mächtig not. Es muss ja nicht gleich nach TV Qualise

Quelle: alternative, Nr. 110, 27.9.2012

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