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Rot-grüne Steuerreform: Mia. € Mindereinnahmen

08.09.2011 - von Dr. Achim Truger

Seit 1998 sind die Steuern für Besserverdiener hierzulande kräftig gesunken. Mindereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe sind die Folge - und ein wesentlicher Grund für das aktuelle Staatsdefizit. Die staatlichen Ausgaben sind hingegen in der vergangenen Dekade real kaum gestiegen. Das zeigen aktuelle Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

In diesem Jahr 51 Milliarden Euro Mindereinnahmen durch Steuersenkungen
51 Milliarden Euro - so viel würden Bund, Länder und Gemeinden 2011 mehr an Steuern einnehmen, wenn noch die Steuergesetze von 1998 gälten. Das hat der IMK-Steuerexperte Achim Truger ermittelt*. "Rein rechnerisch hätte die Bundesrepublik damit aktuell kein Budgetdefizit, sondern einen Überschuss - wenn der Staat nicht in der vergangenen Dekade auf hohe Einnahmen verzichtet hätte", sagt der Wissenschaftler.

Vor allem die rot-grüne Einkommensteuerreform mit deutlicher Senkung der Spitzensteuersätze hat durchgeschlagen, zeigen Trugers Daten. So sehr, dass die Steuereinnahmen selbst 2007, nach Anhebung der Mehrwertsteuer, um rund 20 Milliarden Euro unter dem Niveau bei Gültigkeit der Steuergesetze von 1998 blieben. Die für Kapitaleigner günstige Abgeltungsteuer, die Unternehmensteuersenkung und die Entlastungen, welche die große und dann die schwarz-gelbe Koalition in der Krise beschlossen, haben den Abstand noch vergrößert. Zu einem großen Teil kamen die Steuersenkungen wohlhabenderen Haushalten zugute. Das Wachstum konnten sie wegen gleichzeitiger drastischer Ausgabenkürzungen nicht stimulieren. Unter dem Strich blieb daher ein deutliches Minus für den Staat. Das war kein Einzelfall, betont Truger. Die Hoffnungen auf eine weitgehende Selbstfinanzierung von Steuersenkungen über Wachstumsimpulse seien im In- wie Ausland regelmäßig enttäuscht worden.

Kaum zu den aktuellen finanziellen Problemen beigetragen hat nach den Berechnungen des Forschers hingegen die Entwicklung der Staatsausgaben: Von 1998 bis zum Beginn der Finanzkrise 2008 erhöhten sich die gesamtstaatlichen Ausgaben im Jahresdurchschnitt nominal lediglich um 1,8 Prozent. Nach Abzug der Preissteigerung blieb nur ein Mini-Wachstum von durchschnittlich 0,2 Prozent pro Jahr. Dabei sind die niedrigen Werte schon erheblich beeinflusst von den hohen staatlichen Ausgaben zur Abwehr der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2009 und 2010. Zwischen 1998 und dem Beginn der Finanzkrise 2008 erhöhten sich die gesamtstaatlichen Ausgaben im Jahresdurchschnitt nominal lediglich um 1,4 Prozent. Real, nach Abzug der Preissteigerung, schrumpften sie sogar um 0,2 Prozent pro Jahr.
Sowohl in der Dekade zwischen 1998 und 2008 als auch im Zeitraum von 1998 bis 2010 sei Deutschland international nach Japan "Vize-Weltmeister" in sparsamer Ausgabenpolitik gewesen, so das IMK. Die staatliche Zurückhaltung hatte allerdings ausgeprägte Nebenwirkungen, warnt Finanzexperte Truger. So rangierte Deutschland etwa bei den öffentlichen Investitionen gegenüber den anderen EU-Staaten über Jahre weit hinten.

Eine Haushaltskonsolidierung allein durch Ausgabenkürzung hält das IMK daher für aussichtslos, Steuererhöhungen seien unumgänglich. Sie könnten aber verteilungspolitisch sinnvoll und für die Konjunktur weitgehend unschädlich gestaltet werden. Dazu empfehlen die Forscher eine Anhebung des Einkommensteuertarifs für hohe Einkommen, eine höhere Erbschaftsteuer, die Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine Finanztransaktionsteuer.

Infografik zum Download im neuen Böckler Impuls 13/2011:
Link

Link: Steuern auf Renten: Verfassungsbeschwerde abgelehnt…
Quelle: PM Hans-Böckler-Stiftung, 8.9.2011

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