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Seniorenvertretung Köln: Wahlordnung hat Lücken

05.08.2011 - von Hanne Schweitzer

Im November wird in Köln eine neue Seniorenvertretung gewählt. Per Briefwahl können vom 24. Oktober bis zum 21. November mehr als eine viertel Million KölnerInnen über 60 ihre Stimme abgeben.

Wegen heftiger Querelen nach der letzten Wahl (1), gilt seit Frühjahr 2011 eine neue Wahlordnung (2). Sie enthält 23 Paragrafen. Die sind nicht nur umfangreich, sondern darin wird auch noch 11-mal Bezug genommen auf Bestimmungen im BGB, in der Gemeindeordnung, im Meldegesetz und in der Kommunalwahlordnung. Außerdem wird verwiesen auf Bestimmungen in der Hauptsatzung der Stadt Köln, auf Bestimmungen in der Geschäftsordnung für den Rat und auf Bestimmungen für die Bezirksvertretungen. Kein leichter Tobak. Der Mühe, den Verweisen zu folgen, unterzieht sich wohl niemand freiwillig. Das umfangreiche Werk ist zudem nicht konsequent strukturiert und - wie es neumodisch so schleimig heißt, es ist nicht „in einfacher Sprache“ geschrieben.

Nach mehrfachem Lesen der Wahlordnung, deren Verständnis (in der Internetfassung) zusätzlich durch das Fehlen von Muster-Formblättern erschwert wird, auf die im Text verwiesen wird, obwohl sie in der virtuellen Realität (4.8.2011) nicht vorhanden sind, nach mehrfachem Lesen also erschließt sich immerhin das Folgende:

SeniorInnen, die für die Kölner Seniorenvertretung kandidieren wollen, müssen beim Wahlamt folgende Unterlagen einreichen:

  • 1. Einen Wahlvorschlag ((Vor- und Nachname, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, früherer Beruf, Anschrift und Stadtteil),

  • 2. mindestens 19 Unterstützer-Formulare (3), die von mindestens 19 KölnerInnen über 60 Jahre "in Block- oder Maschinenschrift" ausgefüllt und unterschrieben wurden (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift, Unterschrift),(§ 10.3. Der Wahlvorschlag muss von mindestens 20 Wahlberech­tigten eigenhändig unterschrieben sein. Die Unterschrift der Wahlvorschlagsträgerin/des Wahlvorschlagsträgers nach Absatz 1 auf dem Wahlvorschlag zählt als Unterstützungs­unterschrift.)

  • 3. ein Kandidatenprofil (Vor- und Nachname, früherer Beruf, Geburtsjahr, Staatsangehörigkeit, Stadtteil). Das Profil kann mit weiteren Informationen zur Person, die maximal 400 Zeichen umfassen dürfen, ergänzt werden.

  • All das auf amtlichen Formblättern, ausgegeben vom Wahlamt.

    Kurz und knackig ist Paragraf 10 der neuen Wahlordnung: "Die Wahlvorschläge sind bis zum 48. Tag vor der Wahl, 18 Uhr, beim Wahlamt der Stadt Köln einzureichen (Ausschlussfrist)." Paragraf 9 ist dagegen ein gutes Beispiel dafür, wie Eindeutigkeit strikt vermieden werden kann. Der zweite Satz im ersten Abschnitt von § 9 lautet: "Damit etwaige Mängel, die die Gültigkeit der Wahlvorschläge berühren, noch rechtzeitig behoben werden können, sollten die Wahlvorschläge bereits frühzeitig vor dem 48. Tag vor der Wahl eingereicht werden".

    Kennern der Kölner Verhältnisse dürften bei dieser Formulierung die Haare zu Berge stehen. "Sollten", das ist der 2. Konjunktiv von sollen. Er drückt aus, was erwünscht ist. Ein Wunsch ist aber bekanntlich kein Befehl. Will sagen: Die Wahlvorschläge können, sie MÜSSEN aber nicht vor dem 48. Tag eingereicht werden.

    Dieser feine Unterschied ist deshalb von Bedeutung, weil die KandidatInnen für die Wahl zur Seniorenvertretung auf den Stimmzetteln, die an die WählerInnen verschickt werden, "in der Reihenfolge des Eingangs der Unterlagen, die für einen gültigen Wahlvorschlag erforderlich sind",aufgeführt werden. Dieses Prinzip gilt ebenso für die Reihenfolge, in der die KandidatInnen in einem sogenannten Wahlkreisprofil vorgestellt werden, welches den WählerInnen zusammen mit dem Stimmzettel zugeschickt wird.

    Wer alle Unterlagen ratzfatz zum Wahlamt bringt, kann es auf dem Stimmzettel und im Wahlkreisprofil weit nach oben bzw. nach vorne schaffen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wer aber die Wahlordnung nicht so genau studiert hat, wer gerade in Urlaub ist, oder noch nicht so genau weiß, von wem er Unterstützerunterschriften bekommen kann, und sich Zeit läßt bis zur angegebenen deadline, hat schlechte Karten. Wer zu spät kommt, den bestraft die neue Kölner Wahlordnung.

    Nun gibt es selbstverständlich, damit bei der Seniorenvertreterwahl in Köln alles mit rechten Dingen zugeht, für die Wahl einen eigenen Wahlausschuss(4). Der besteht aus einer/m WahlleiterIn, drei amtierenden SeniorenvertreterInnen, je einem Mitglied der im Kölner Rat vertretenen Fraktionen (SPD, CDU, Grüne, FDP, proKöln, DieLinke) und drei Vertretern der Wohlfahrtsverbände als Beisitzer. Dazu ergänzt inhaltlich derParagraf 8.3. "Die Mitglieder des Wahlausschusses sind nicht gehindert, an einer Entscheidung mitzuwirken, die sich auf ihre Wahl oder Bewerbung erstreckt." Mit anderen Worten: Wer als SeniorenvertreterIn kandidiert UND im Wahlausschuss sitzt, ist berechtigt, bei Entscheidungen über die eigene Kandidatur mitzumischen. Ein Geschmäckle hat das nicht, es handelt sich vielmehr um die Kreation der kölschen Dreieinigkeit aus Legislative, Exekutive und Judikative in einer Person!

    Die 13 Mitglieder vom Wahlausschuss können über so Manches entscheiden, jedoch nicht über die Reihenfolge des Eingangs der Wahlunterlagen. Darüber verliert die Wahlordnung kein Wort. Weder der Normalfall noch der Zweifelsfall ist geregelt.

    Aber wer legt die Reihenfolge des Eingangs der Unterlagen fest? Wer entscheidet darüber, ob z.B. ein per Mail-Brief um 9.15 Uhr eingetroffener Wahlvorschlag früher eingegangen ist, als das Schriftstück eines Kandidaten aus demselben Wahlbezirk, das nur deshalb am selben Tag gegen 10 Uhr ganz altmodisch von einem Briefträger ins Wahlamt gebracht wird, weil der Kandidat oder die Kandidatin weder einen Computer besitzt, noch eine unterstützende Partei oder einen helfenden Verband im Rücken hat? Und von wem wird es wie gehandhabt, wenn zwei Postzustellungen aus demselben Bezirk am selben Tag eintreffen? Gilt der Eingangsstempel oder die Position im Packen der ungeöffneten Kuverts?

    Die Defizite der neuen Wahlordnung für die Kölner Seniorenvertretung sollten :) so schnell wie möglich beseitigt werden. Sie könnten für Ärger und Zwietracht sorgen. Nicht nur bei den KandidatInnen. Auch bei den WählerInnen. Ihnen unterstellt die neue Sortierung nach "Reihenfolge des Eingangs", dass sie zwar zu dumm oder analphabetisch sind, um einen Stimmzettel, auf dem die KandidatInnen von "A" bis "Z" sortiert sind, von vorne bis hinten lesen zu können, dass ihnen dieses schwierige Unterfangen jedoch problemlos möglich ist, sobald die KandidatInnen nach einem anderen Kriterium geordnet werden.

    Bemerkenswert: Die öffentliche Bekanntgabe der zugelassenen Kandidatinnen hat laut Wahlordnung "in alphabetischer Reihenfolge" zu erfolgen. Deshalb kann davon ausgegangen werden: Die „Reihenfolge des Eingangs“ hat man sich als Kriterium ausgedacht, um KandidatInnen, deren Nachname etwa mit dem Buchstaben „Z“ beginnt, aus ihrer lebenslangen alphabetischen Schlusslichtrolle zu befreien. Es heißt ja schließlich nicht jede/r in Köln Adenauer!

    Forderungen:
    - Die kölsche Dreieinigkeit aus Legislative, Exkutive und Judikative muss ersatzlos gestrichen werden.
    - „Die Reihenfolge des Eingangs der Unterlagen“ aller KandidatInnen muss, um Chancengleichheit zu gewährleisten und Mauscheleien auszuschließen, überprüfbar sein oder durch ein anderes Kriterium ersetzt werden.
    - Paragraf 20 muss geändert werden. Er ignoriert den Wählerwillen. Die Entscheidung darüber, wer aus dem Stadtbezirk Mitglied in der ´Seniorenvertretung Köln-Stadtkonferenz` wird, treffen die fünf im jeweiligen Stadbezirk gewählten SeniorenvertreterInnen durch Wahl. Gleiches gilt bei den SeniorenvertreterInnen mit ausländischer Staatsbürgerschaft. Auch hier spielt die Anzahl der von den WählerInnen abgegebenen Stimmen keine Rolle!

    (1)
    Klüngel bei Kölner Seniorenvertreterwahl http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=1763

    Kölner Seniorenvertreterwahl: Demokratisch ist was anderes
    http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=1764

    Köln: Seniorenvertreterwahl wird überprüft
    http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2170
    Seniorenvertretung Köln: Wahlwiederholung http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2228

    Seniorenvertretung, Seniorenbeirat, was ist das???
    http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=1767

    (2)
    - Die "Entscheidungsbefugnis" für die "Wahlordnung für die Wahl der Seniorenvertretung" wurde dem Ausschuss für Soziales und Senioren "übertragen". Der Ausschuss besteht aus 42 Leuten "aus Parteien und Organisationen", die eine oder mehrere der folgenden Funktionen im Ausschuss wahrnehmen:
  • Ausschussvorsitzender,
  • 1. Stellvertretender Ausschussvorsitzender,
  • 2. Stellvertretender Ausschussvorsitzender,
  • Ordentliches stimmberechtigtes Ratsmitglied,
  • Sachkundiger Bürger,
  • Sachkundige Bürgerin,
  • Sachkundige Einwohnerinnen und Einwohner mit beratender Stimme,
  • Mitglieder mit beratender Stimme nach § 58 Absatz 1 Satz 7 bis 12 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,
  • Sachkundige Einwohnerinnen und Einwohner nach § 22 und § 23 der Hauptsatzung,
  • Beratendes Mitglied,
  • Stellvertretendes beratendes Mitglied.

  • Wahlordnung siehe: Link
    Ausschussmitglieder siehe: http://ratsinformation.stadt-koeln.de/kp0040.asp?__kgrnr=13&__cgrname=Ausschuss+Soziales+und+Senioren&

    (3)
    In der Wahlordnung ist zwar von 20 Unterschriften die Rede, da der eigene Wahlvorschlag aber als Unterstützerunterschrift zählt, werden tatsächlich nur 19 Unterschriften benötigt. “Die Unterschrift der Wahlvorschlagsträgerin/des Wahlvorschlagsträgers nach Absatz 1 auf dem Wahlvorschlag zählt als Unterstützungs­unterschrift.”

    (4)
    Der Wahlausschuss entscheidet in öffentlicher Sitzung, zu der jede Person Zutritt hat. Er ist ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Beisitzerinnen/Beisitzer beschlussfähig.

    Link: Köln: Seniorenvertreterin legt Mandat nieder…
    Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung

    Weitere Artikel, nach dem Datum ihres Erscheinens geordnet, zum Thema Ehrenamt:
    13.07.2011: Bremer Seniorenvertretung mischt sich ein
    08.07.2011: EU- Aktives Altern + Solidarität der Generationen 2012“
    05.07.2011: BAGSO zum Bundesfreiwilligendienst

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