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Anonyme Bewerbungen: Test bei 225 Stellen

26.11.2010

Erstmals werden in einem breit angelegten Pilotversuch ab Novmber anonymisierte Bewerbungsverfahren hierzulande getestet. Die Leiterin der unabhängigen Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), Christine Lüders, gab am Donnerstag in Berlin den offiziellen Startschuss für das wissenschaftlich begleitete Vorhaben. Auf Initiative der ADS werden die Deutsche Post, die Deutsche Telekom, das Kosmetikunternehmen L´Oréal, der Geschenkdienstleister Mydays, der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble, das Bundesfamilienministerium, die Bundesagentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Stadtverwaltung von Celle ein Jahr lang anonymisierte Bewerbungsverfahren ausprobieren.

Dabei wird in der ersten Phase der Bewerbungsverfahren auf Fotos sowie auf persönliche Angaben wie Name, Alter, Geschlecht, Herkunft und Familienstand verzichtet, wie ADS-Leiterin Christine Lüders am Donnerstag in Berlin sagte.

Insgesamt handelt es sich um rund 225 Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätze mit tausenden !!! Bewerbungen. Die Stellen reichen von der Lehrlingsausbildung über zu vergebende Studienplätze bis hin zu technischen Berufen, Jobs im Kundenservice oder im mittleren Management.

Wie Lüders erläuterte, anonymisieren einige Unternehmen per Online-Bewerbung. Andere haben sich für ein per E-Mail oder Post bereitgestelltes Formular oder eine nachträgliche Anonymisierung der persönlichen Daten entschieden. Das Gros der Teilnehmer starte jetzt im November. Konjunkturbedingt und wegen interner Abläufe beginnen einzelne Teilnehmer jedoch erst zu Jahresbeginn 2011, so dass das Pilotprojekt bei einzelnen Teilnehmern bis März 2012 läuft.

Das Pilotprojekt wird während der gesamten Dauer wissenschaftlich begleitet und anschließend ausgewertet. Dafür hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) aus Bonn und die Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt der Europa-Universität Viadrina (KOWA) in Frankfurt (Oder) gewonnen.

Wie Lüders erläuterte, soll es sowohl eine qualitative als auch eine quantitative Evaluierung geben. "Wir wollen einerseits herausfinden, welche Erfahrungen die Personalerinnen und Personaler mit dem neuen Verfahren machen, andererseits interessieren uns natürlich auch die Reaktionen der Bewerbenden. Darüber hinaus wollen wir Tendenzen ermitteln, ob es bisher oft benachteiligte Gruppen wie Menschen mit Migrationshintergrund, Ältere und Frauen mit Kindern tatsächlich öfter in Vorstellungsgespräche und in Jobs schaffen als bisher", betonte die Leiterin der ADS. Auch solle ermittelt werden, ob sich für die Unternehmen neue Bewerbergruppen auftun – etwa Menschen, die sich nach einer Vielzahl von frustrierenden Absagen derzeit gar nicht mehr bewerben.

Wie die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle weiter sagte, werde bei den anonymisierten Bewerbungsverfahren der Blick der Personalerinnen und Personaler konsequent auf die Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber gelenkt. "Dabei sitzt das Auswahlgremium aber keiner 'Mrs. oder einem Mr. No-Name' gegenüber. Sobald die Einladung zum Vorstellungsgespräch ausgesprochen ist, erhalten die Personaler die kompletten Unterlagen und können sich vorbereiten. Uns geht es um Chancengleichheit in der ersten Phase des Verfahrens. Derzeit bekommen viele Menschen trotz hoher Qualifikation gar nicht erst die Chance auf ein persönliches Vorstellungsgespräch."

Lüders entkräftete auch das Argument, dass die standardisierten Bögen nicht genug über die Fähigkeiten der Bewerberinnen und Bewerber aussagten. "Personalerinnen und Personaler erhalten in diesen Bögen alle wichtigen Daten zur Qualifikation – sowohl zur Berufsausbildung einschließlich Noten als auch ein ausführliches Motivationsschreiben." Die Leiterin der ADS wies auch das Argument zurück, es müssten bei dem neuen Verfahren mehr Gespräche mit Bewerbern geführt werden: "Eingeladen wird dieselbe Zahl von Bewerberinnen und Bewerbern wie bisher. Der Unterschied liegt darin, dass die Entscheidung über die Einladung anhand anonymisierter Daten gefällt wird – also ohne Ansehen von Foto und persönlichen Angaben."

Laut einer repräsentativen forsa-Umfrage im Auftrag der ADS findet eine Mehrheit von 56 Prozent der Befragten die Idee anonymisierter Bewerbungsverfahren gut oder sehr gut. Jeder zweite Deutsche (48 Prozent) hat laut der Forsa-Umfrage schon von dem Vorhaben anonymisierter Bewerbungsverfahren gehört.

Neu als Teilnehmer hinzugekommen ist die Stadtverwaltung von Celle. Der Oberbürgermeister der niedersächsischen Stadt, Dirk-Ulrich Mende (SPD), sagte: "Schon seit längerer Zeit haben wir uns mit diesem Thema befasst. Ich bin dankbar, dass sich die Antidiskriminierungsstelle des Bundes jetzt für ein solches Verfahren einsetzt. Wir erwarten einen Imagegewinn für die Stadt Celle, wenn wir unsere Bewerbungsverfahren transparent und diskriminierungsfrei gestalten. Insofern beteiligen wir uns sehr gern an diesem Pilotprojekt."

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=3905
Quelle: ADS