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Keine Freiwilligendienste in staatlicher Regie!

03.11.2010 - von Dr. Gisela Jakob

Mit den Planungen für einen „freiwilligen Zivildienst“ und einem formal einheitlichen Dienst in Bundeszuständigkeit verstärkt sich eine bereits seit längerem beobachtbare Tendenz: Der Staat instrumentalisiert die Freiwilligendienste für seine Zwecke. Sie werden genutzt, um die zurückgehende Zahl von Zivildienstleistenden zu kompensieren. Bundesministerien kreieren Freiwilligendienste, ohne zivilgesellschaftliche Akteure zu beteiligen. Neue „generationsübergreifende Dienste“ werden ins Leben gerufen, um Ältere und Arbeitslose für einen „Dienst“ zu gewinnen. Der geplante „freiwillige Zivildienst“ markiert den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung.

Die staatliche Indienstnahme untergräbt die zivilgesellschaftlichen Grundlagen der Freiwilligendienste. Statt die Jugendfreiwilligendienste als Lern- und Bildungsorte für bürgerschaftliches Engagement weiter zu entwickeln, wird mit einem finanziell gut ausgestatteten „freiwilligen Zivildienst“ ein Instrument geschaffen, das in erster Linie auf eine kostengünstige Problembearbeitung orientiert ist. Statt Trägerorganisationen in ihrem Bemühen um den Ausbau der bestehenden Freiwilligendienste zu unterstützen, wird eine neue, konkurrierende Struktur aufgebaut. Statt neue zivilgesellschaftliche Organisationen etwa aus dem Migrationsbereich, die in der Regel über keine Refinanzierungsmöglichkeiten verfügen, durch einen zeitlich begrenzten finanziellen Anreiz als Träger von Freiwilligendiensten zu gewinnen, werden mit dem Bundesamt für Zivildienst bundesstaatliche Strukturen gestärkt.

Zudem ist völlig unklar, wer – neben jungen Leuten – die Zielgruppen für den neuen zivilen Dienst sein sollen. Erfahrungen mit Modellprojekten haben gezeigt, dass sich ältere Bürgerinnen und Bürger nicht in einen zeitlich umfassenden, regelmäßigen Freiwilligendienst einbinden lassen. Die über 55-Jährigen sind zwar bürgerschaftlich stark engagiert. Sie unterwerfen sich dabei aber nicht unbedingt dem Reglement eines Freiwilligendienstes, der halbtags oder gar in Vollzeit erbracht wird. Bei der anvisierten Zielgruppe der Arbeitslosen ergeben sich sozialversicherungs- und arbeitsrechtliche Probleme, da ein Freiwilligendienst mit der Verpflichtung kollidiert, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Auch aus der Perspektive der Umsetzbarkeit erweist sich der geplante „freiwillige Zivildienst“ somit als problematisches Projekt.

Kommentar von Prof. Dr. Gisela Jakob für den Online-Nachrichtendienst "Aktive Bürgerschaft aktuell", Ausgabe 105.

Link: FreiwilligenDIENST: 16 Leuchttürme senden Signale
Quelle: Aktive Bürgerschaft aktuell