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Bremen: Grüne attackieren Seniorenvertretung

16.08.2010 - von Gerd Feller

Die Grünen in Bremen treten, zusammen mit der SPD, nicht nur für eine weitere Privatisierung der Abwasserentsorgung ein, sie attackieren auch die Seniorenvertretung.

In der jüngsten Vergangenheit erschienen zwei Zeitungsartikel zu einer Anfrage der Bremer Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen an den Senat zur Modernisierung der Bremer Senioren-Vertretung. (siehe Bremische Bürgerschaft,
Drucksache 17/601). Der “Weser-Report“ vom 11.07.10 titelte „Grüne contra Seniorenvertretung“, die TAZ vom 16.07.10 „Grüne ärgern alte Menschen“. Beides stimmt, hätte
jedoch vermieden werden können.

Niemand von der Bremer Senioren-Vertretung wird etwas gegen die Anfrage einer Bürgerschaftspartei haben, die auf die Möglichkeiten einer Weiterentwicklung der Senioren-Vertretung zielt, z.B. auf die Anpassung des Delegationsrechts an die zeitgemäße Zusammensetzung der Bremer Bevölkerung im Alter von 60plus, wobei es insbesondere wohl um den Delegiertenanteil von Menschen mit Migrationshintergrund und von Frauen geht. Aber, wie so oft, kommt es auch hier bei der Durchsetzung von Wünschen auf Verhaltensweisen und den richtigen
Zungenschlag an.

Hätte man nicht erst einmal Kontakt mit der Senioren-Vertretung aufnehmen und sich genauer über deren Zusammensetzung und Arbeit informieren können?! Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen scheint doch einiges
nicht zu wissen. In der Anfrage steht z.B.: „....; die Stadtteilbeiräte sollen für jeweils 4.000 über 60-
Jährige ihres Stadtteils eine Person delegieren.“ Das klingt, als würde das nicht funktionieren. Dem ist wahrlich nicht so! Wenn Stadtteilbeiräte ihr Recht zu delegieren vernachlässigen, liegt das an den in den
Stadtteilbeiräten sitzenden Parteien. Die Senioren-Vertretung kann weder die Wahlen der Delegierten aus den Stadtteilbeiräten, noch die Delegation aus den anderen delegationsberechtigten Organisationen und erst recht nicht die Frauen- und Migrantenquote beeinflussen. Letztere hängt auch von der Bereitschaft und den persönlichen Umständen ab, ehrenamtlich tätig zu werden.
Viele noch aktive Seniorinnen/Senioren sind bereits an
anderen Stellen ehrenamtlich engagiert. Ein wenig Ruhestand möchte man dann doch retten.

An anderer Stelle heißt es: „Ob die Seniorenvertretung zu Recht für sich in Anspruch nehmen darf, die Interessen aller älteren Menschen in Bremen vertreten zu können, wird in den letzten Jahren in Frage gestellt. Insbesondere die Aufteilung der Delegationsrechte sollte – so wird gefordert – daraufhin überprüft werden, ob sie den
gesellschaftlichen Entwicklungen, Veränderungen und den sich wandelnden Interessen älterer Menschen in der Stadt Bremen entspricht.“

Im offiziellen, vom Bremer Senat am 17.01.2003 verabschiedeten Statut der Senioren-Vertretung heißt es: „Die Senioren-Vertretung hat die Aufgabe, die Interessen
älterer Bürger und Bürgerinnen in der Öffentlichkeit, gegenüber dem Parlament, den Verwaltungen, Parteien, Verbänden, Vereinen zu vertreten.“ Insofern erfolgt die ehrenamtliche Arbeit auf der Grundlage des augenblicklich gültigen Rechts, nach bestem Wissen und Gewissen und mit Hilfe eines ständigen Informationsaustausches mit allen
beteiligten Gruppen, vor allem mit den Seniorinnen/Senioren.

Der oben zitierte Satz aus der Anfrage lässt den Schluss zu, die Senioren-Vertretung führe ihre Arbeit seit Jahren ungerechtfertigt aus. Das können Ehrenamtliche, die sich teils unter hohem Zeitund Arbeitsaufwand und manchmal schon
mehrere Legislaturperioden unabhängig, politisch neutral und konfessionell ungebunden für die seniorenpolitischen Anliegen älterer Bürger und Bürgerinnen einsetzen, nur als
Affront verstehen.

Das widerspricht auch den Äußerungen der politischen Spitzen, die sich bisher auf jeder Delegiertenkonferenz
einfanden und in hohen Tönen die erfolgreiche Arbeit der Senioren-Vertretung lobten und den weiteren Einsatz für die Sache der älteren Menschen in Bremen forderten. Darunter war u.a. auch Frau Dr. Karin Mathes, stellvertretende Präsidentin der Bürgerschaft und umweltpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen.

Übrigens, im rot-grünen Koalitionsvertrag (S.48) steht der Satz: „Die ehrenamtlichen Dienste der Seniorenvertretung
sind zu unterstützen.“

Der Hinweis darauf, dass „die Arbeit der Senioren-Vertretung seit Jahren in Frage gestellt“ werde, ist für die Senioren-Vertretung neu. Es mag Menschen geben, die sich vielleicht darüber ärgern, dass man sich nicht
nachhaltiger ausschließlich ihren ganz persönlichen Vorstellungen und Einschätzungen anschließt. Man kann es nicht allen recht machen. Allerdings trifft Bündnis 90/Die
Grünen diese Feststellung auch nur allgemein.
Es fehlen die konkreten Belege. So kann jeder behaupten, die Senioren-Vertretung arbeite unrechtmäßig. Die Anfragesteller sollten schon den Mut haben, Ross und Reiter zu nennen, statt im Nebel zu agieren.

Diese Anmerkungen mögen fürs erste genügen. Im „Durchblick“ (Nr. 121, Februar 2010, S.2/3) erschien bereits eine Stellungnahme zu einer Anfrage von Bündnis
90/Die Grünen vom 08.12.09. Damals ging es nur um die Beteiligung von Migrantinnen/ Migranten. Die Senioren-Vertretung hat in ihrer Antwort darauf hingewiesen, dass man offene Türen einrenne. Unsere Gesprächsbereitschaft
ist anscheinend nicht angekommen.

Schade, dass die Anfragesteller erst einmal Porzellan zerschlagen, statt gleich mit uns zu sprechen. Ist das Unbedachtsamkeit oder Arroganz der Macht? Wir haben sie für
Anfang August zu einem sachdienlichen Gespräch eingeladen. Vielleicht sind danach die Schlagzeilen „Grüne contra Seniorenvertretung“ und „Grüne ärgern alte Menschen“
gegenstandslos.

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Am 04.08.2010 fand in Bremen ein Treffen mit Vertretern von Bündnis 90/Die Grünen statt. Thema war die Anfrage der Grünen an den Senat, die in der Senioren-Vertretung formal und inhaltlich für Ärger gesorgt hatte. Der Vorstand machte
anfangs klar, dass er selbstverständlich nichts gegen Anfragen von Bürgerschaftsparteien habe, aber Formulierungen kritisiere, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Arbeit der Senioren-Vertretung ausdrückten.
Mißverständnisse wurden ausgeräumt, und die Vertreter der Grünen versicherten, dass es ihnen fernliege, die Existenzberechtigung der Bremer Senioren-Vertretung infrage zu stellen. Dann wendete sich das Gespräch dem
angeblichen Problem „Frauenquote“, dem tatsächlichen Problem „Beteiligung von Migranten“ und der Frage des Delegationsrechts zu. Die Senioren-Vertretung verwies noch einmal auf die bereits mehrfach dargestellten Sachverhalte. Sie ist auch keineswegs abgeneigt, über die Erweiterung des Delegationsrechts für bestimmte Organisationen zu diskutieren. Dabei müssten allerdings deren Aufgaben und seniorenpolitische Bedeutung
berücksichtigt werden.
Da jedoch auf beiden Seiten noch keine konkreten Vorschläge zur Modernisierung der Bremer Senioren-Vertretung gemacht werden konnten, wurde vereinbart, bis spätestens zum Ende dieses Jahres zusätzliche Informationen
einzuholen, weiterführende Überlegungen anzustellen und sich noch einmal zu treffen, um dann miteinander auf besserer Grundlage über Änderungsmöglichkeiten zu diskutieren.
Das Thema wird auch noch in einem Gespräch mit dem zuständigen Referat der Sozialsenatorin behandelt.

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In der Sitzung der Stadtbürgerschaft am 25. August 2010 sollte der Senat laut der angekündigten Tagesordnung unter dem Punkt 5 die Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen
(Drucksache 17/601) zur Modernisierung der Bremer Senioren-Vertretung beantworten. Dieser Tagesordnungspunkt wurde jedoch - verschoben. Soweit man hören konnte, war die
Dauer der Sitzung wegen der "Sail Bremerhaven 2010" eingeschränkt.

Link: Remscheid: Ratsmehrheit schafft Seniorenbeirat ab…
Quelle: Durchblick, Juli + September 2010

Weitere Artikel, nach dem Datum ihres Erscheinens geordnet, zum Thema Ehrenamt:
27.07.2010: Remscheid abgeschafft: Brief an Kraft und Steffens
27.07.2010: Remscheid abgeschafft: EIJA TIRKKONEN
12.07.2010: Remscheid: Ratsmehrheit schafft Seniorenbeirat ab

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