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Am Ende des Lebens wie Abfall behandelt

04.01.2010

Engagierte Menschen müssen dagegen vorgehen, dass alte Menschen, die 40, 50 Jahre gearbeitet haben, am Ende ihres Lebens wie Abfall behandelt werden.

Der alte Mann, um den es im Folgenden geht, war von seinem gesetzlich bestellten Betreuer um seine gesamten Ersparnisse gebracht worden und bettelarm in ein konfessionelles Altenheim gekommen. Nicht nur das, er hatte, als ich anfing, ihn zu besuchen, nicht mal gescheite Anziehsachen im Schrank und außer Tisch, Bett und Stuhl nichts Persönliches in seinem Zimmer. Ich war seine einzige platonische Freundin und habe versucht, mit bescheidenen materiellen Gütern und viel Liebe an ihm wieder gut zu machen, was andere Menschen ihm in seiner altersbedingten Hilflosigkeit angetan haben. Angehörige hatte er keine.

Ende November 09 wurde er, der auf einen Rollstuhl angewiesen war, im Alter von 86 Jahren mit einer schweren Bronchitis in ein konfessionelles Krankenhaus eingeliefert. Am nächsten Tag besuchte ich ihn dort das erste Mal. Er atmete ganz normal, erkannte mich sofort, war klar, ansprechbar und nonverbal kommunikativ. Der Pfleger meinte, es ginge ihm schon viel besser. Der alte Mann schöpfte neue Hoffnung, dass ihm im Krankenhaus geholfen würde und wir beide zusammen Weihnachten feiern könnten. Am zweiten Tag seines Krankenhausaufenthalts wurde er wegen des Krankenhauskeimes MRSA isoliert. Er war nun wesentlich schwächer, schweißgebadet und atmete sehr schwer. In seinem Bett lagen die Tupfer von den Blutentnahmen. Die Heizung war auf Null gedreht, er war mit einer dünnen Sommerdecke nur bis zu den Hüften bedeckt.
Am dritten Tag kam ich um ca. 13.30 ins Hospital. Das Fenster in seinem Zimmer stand sperrangelweit offen, ebenso die Tür. Es war kalt draußen und in dem Zimmer herrschten Minusgrade, derweil die Heizung wieder auf Null heruntergedreht worden war. Der arme alte Mann lag fast aufgedeckt mit wehenden Haaren hilflos im Durchzug dieser Eiskammer. Sein Atem war sehr schwer, er war schweißgebadet und zeigte kaum noch Reaktionen. Zwei Ärzte liefen mir, als ich gerade kam, entgegen. Ich fragte die Ärzte, was das soll, ob sie den Mann erfrieren lassen wollen, und sie entgegneten, das Fenster sei wohl versehentlich von selber aufgegangen. Es muss aber stundenlang offen gestanden haben, denn das Zimmer war komplett ausgekühlt. Ich selber saß die ersten zwei Stunden mit klappernden Zähnen und Mantel unter dem Schutzanzug an seinem Bett bis es wegen der von mir aufgedrehten Heizung allmählich zu erträglichen Raumtemperaturen kam. In dieser Nacht starb er an einer Lungenentzündung. Der Krankenhausseelsorger war nicht bei ihm, der hatte erst in der nächsten Woche Zeit. Nachdem er verstorben war, wurde er vom Ordnungsamt abgeholt und verbrannt. Eine Trauerfeier gab es für ihn nicht.

Dieser Bericht wurde dem Büro gegen Altersdiskriminierung von einer Frau aus NRW zugeschickt, die sich aus freien Stücken um den Mann gekümmert hat. Sein Name und der des Krankenhauses sind der Redaktion bekannt.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=3230
Quelle: Brief an die Redaktion