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Kinotipp: Auf der Suche nach dem Gedächtnis

Berlin, 10.2009

30.07.2009 - von Hanne Schweitzer

Auf der Suche nach dem Gedächtnis, ein wunderbarer Film. Sie werden lachen, Sie werden weinen, und Sie werden innerlich den Hut ziehen, vor diesem klugen, liebenswürdigen alten Mann, den der Film vorstellt: Eric Kandel. Wurscht, ob er mit einem Schwarzen in Brooklyn spricht, einen bekannten amerikanischen Psychoanalytiker trifft, seine MitarbeiterInnen im Labor vorstellt, mit Bundespräsident Fischer aus Österreich plaudert, seiner Enkelin etwas erklärt, mit dem Chauffeur redet, oder seine Forschungsergebnisse erklärt: Kandel, der auch mit 79 noch herzhaft lacht und still weinen kann, macht keinen Unterschied zwischen den Menschen. Und Sie werden - (vielleicht, hoffentlich), eine Ahnung davon bekommen, was unserer Gesellschaft seit mehr als 60 Jahren fehlt.

Wir sind, wer wir sind durch das, was wir lernen und woran wir uns erinnern. 1.000 Leute kamen zur Premiere von Petra Segers Film "Auf der Suche nach dem Gedächtnis" in New York. Auf dem Dokumentarfilm-Festival in Leipzig gab es Standing Ovations, und die Filmpremiere in Köln fand in zwei Sälen gleichzeitig vor fast ausschließlich jungem Publikum statt. "Rockstar der Hirnfoschung", wird Eric Kandel von einem jungen Mädchen im Film genannt, die in Brooklyn noch auf einen Platz bei einer seiner überfüllten Lesungen hoffte.

Petra Seegers Porträt des amerikanischen Hirnforschers Eric Kandel verwebt die Geschichte seines Lebens mit seiner Geschichte als Wissenschaftler.
Entstanden ist das beeindruckende Portät eines charismatischen und leidenschaftlichen Forschers, eines geistreichen, witzigen, beweglichen, humorvollen, neugierigen,selbstkritischen und bescheidenen Mannes, dem es gelungen ist, seine fürchterliche Erfahrung, die er als jüdisches Kind beim Einmarsch der Nazis in Wien gemacht hat, als Antrieb zu nehmen, um das Gedächtnis als Grundlage des Handels der Menschen zu erforschen.

Den Nobelpreis für Medizin erhielt Kandel im Jahr 2000 für die Entdeckung des Proteins, das eine wichtige Rolle spielt bei der Speicherung von Ereignissen aus dem Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis. Ein Vorgang, der die Voraussetzung für das Lernen und das Erinnern ist.

Regisseurin und Produzentin Petra Seeger, hat in Kandels Labor in New York gedreht (ja ja, der 79Jährige arbeitet), sie sprach mit seinen MitarbeiterInnen aus aller Herren Länder. Sie begleitete den lebenslustigen alten Herrn auf den Tennisplatz und ins Schmwimmbad (jaja, er treibt Sport mit 79), sie war zu Gast beim Pessach-Mahl am festlich gedeckten Tisch der Familie Kandel, und sie war dabei, als er und seine Familie nach Paris, nach Wien fuhren und während er durch Brooklyn stapfte - auf der Suche nach der Vergangenheit. Kandel: „Ich bin davon überzeugt, dass mein späteres Faible für den menschlichen Geist - dafür, wie sich Menschen verhalten, wie unberechenbar ihre Motive und wie
dauerhaft Erinnerungen sind — auf mein letztes Jahr in Wien zurückgeht. Nach dem Holocaust lautete das Motto der Juden: ‚Niemals vergessen!’, wachsam gegen Antisemitismus, Rassismus und Hass zu sein ... Meine wissenschaftliche Arbeit widmet sich den biologischen Grundlagen dieses Mottos: den Prozessen im Gehirn, die uns zur Erinnerung befähigen.“

AUF DER SUCHE NACH DEM GEDÄCHTNIS
95 Min. OF. engl. mit dt. UT’s , stereo 16:9. Der Film ist eine Produktion der FilmForm Köln GmbH. Er entstand in Zusammenarbeit mit ARTE/WDR und ORF in Koproduktion mit WDR. Hergestellt mit Unterstützung von: Filmfonds Wien, Fernsehfonds Austria , Alfred P. Sloan Foundation, New York und Filmstiftung Nordrhein-Westfalen, mit Unterstützung der I.S.T.Austria und der Stadt Wien.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=3076
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung