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Betriebsrente: Ymos durfte Zahlungen nicht einstellen

04.03.2009 - von Hessisches Landesarbeitsgericht

Erste Entscheidungen im Zusammenhang mit der Einstellung der Betriebsrentenzahlungen der Firma YMOS AG

Am 4. März 2009 verhandelte das Hessische Landesarbeitsgericht – Kammer 8 – die ersten 13 Berufungsverfahren der Firma YMOS AG. Das Berufungsgericht hat die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte Fimra YMOS AG war nicht berechtigt, die nach den Versorgungsordnungen bzw. den abgeschlossenen Pensionsverträgen geschuldeten Betriebsrentenzahlungen einzustellen.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein ehemaliges Unternehmen der Automobilzulieferindustrie mit Sitz in Obertshausen. In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts arbeiteten in den sechs Werken der Beklagten ca. 5.200 Mitarbeiter. Ende 1998 wurde, nachdem zuvor verschiedene Produktionsbereiche veräußert worden waren, die produktive Geschäftstätigkeit eingestellt. Im Unternehmen verblieb lediglich das frühere Betriebsgrundstück in Obertshausen sowie hohe Verlustvorträge. Einnahmen wurden ab dieser Zeit nur noch aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks erzielt. Seit 2004 gehören zum Vermögen der Beklagten auch Beteiligungen an Gesellschaften, die Pflegeimmobilien besitzen. Nachdem Ende 2006 über das Vermögen der Hauptanteilseignerin der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, übernahm die nunmehrige Hauptgesellschafterin die wesentlichen Unternehmensanteile.

Die betriebliche Altersversorgung im Unternehmen, die in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eingeführt wurde, war durch so bezeichnete „Versorgungsordnungen“ geregelt. Die ehemaligen Mitarbeiter der Beklagten beziehen Betriebsrenten in höchst unterschiedlicher Höhe; die Gesamtjahressumme der gezahlten Betriebsrenten beträgt mehr als € 1.3 Mio. Nachdem der Arbeitgeber zunächst die Auszahlungstermine der monatlichen Rentenzahlungen geändert, Rentenanpassungen ausgesetzt sowie Rentenkürzungen vorgenommen hatte, teilte er den Betriebsrentnern mit, dass er ab Februar 2008 die Rentenzahlungen einstellen werde.

In der Folgezeit klagten über 1.200 der zuletzt ca. 1.800 ehemaligen Mitarbeiter gegen ihren früheren Arbeitgeber auf Zahlung der Betriebsrente vor dem Arbeitsgericht Offenbach am Main. Die Klagen waren, soweit bereits über sie entschieden worden ist, weitestgehend erfolgreich.

Zurzeit sind bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht 543 von der YMOS AG eingelegte Berufungsverfahren anhängig. Hiervon wurden ca. 230 Verfahren ruhend gestellt. In dem heutigen ersten Verhandlungstermin wurde über 6 Klagen von ehemaligen leitenden Angestellten - deren auf Pensionsverträgen beruhende monatliche Betriebsrenten zwischen € 1.000,00 und € 2.000,00 liegen - sowie 7 Klagen von Arbeitnehmern - deren monatliche Betriebsrenten zwischen € 40,00 und € 160,00 betragen und auf Grundlage von Versorgungsordnungen gezahlt wurden - verhandelt.

Der Arbeitgeber hat dien Auffassung vertreten, zur Einstellung der Betriebsrentenzahlungen berechtigt zu sein, weil die als Rechtsgrundlage für die Zahlungen dienenden Versorgungsordnungen mangels Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats unwirksam seien. Außerdem könne er die Rentenzusagen aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage widerrufen.

Am 4.3.09 beantragte die Beklagte zusätzlich die Aussetzung des Verfahrens wegen noch schwebender Verhandlungen mit dem Pensionssicherungsvereins über einen außergerichtlichen Fortführungsvergleich, der dazu führen würde, dass der Pensionssicherungsverein zeitweilig die Zahlung der Betriebsrenten übernehmen und die Beklagte entsprechend finanziell entlastet würde.

Das Hessische Landesarbeitsgericht hat die 13 am 4.3.09 verhandelten Berufungen und damit auch die Aussetzungsanträge zurückgewiesen. Die Betriebsrentner hätten einen Anspruch auf die Renten nach den Versorgungsordnungen der YMOS AG oder nach den abgeschlossenen Pensionsverträgen.

Die Versorgungsordnungen seien nicht deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat an ihrem Zustandekommen nicht mitgewirkt habe. Fehle eine notwendige Mitbestimmung des Betriebsrats, seien nur für die Arbeitnehmer nachteilige Maßnahmen unwirksam. Versorgungszusagen hingegen begünstigen die Beschäftigten.

Unerheblich sei auch, ob und von wem die Versorgungsordnungen unterschrieben worden sind. Es genüge, dass sie im Betrieb bekannt gemacht und Renten nach ihnen in der Vergangenheit gezahlt worden sind.

Der Widerruf wegen einer wirtschaftlichen Notlage, der in den Versorgungsordnungen und den Pensionsverträgen zwar vorbehalten war, könne die Versorgungszusagen nicht beseitigen. Nach früherer Rechtsprechung und Gesetzeslage habe unter ganz engen Voraussetzungen die Zahlung eines versprochenen Ruhegeldes aus Gründen einer wirtschaftlichen Notlage verweigert werden können, wenn und solange bei ungekürzter Weiterzahlung der Bestand des Unternehmens gefährdet war. Seit der Insolvenzschutz für Betriebsrenten für den Fall des Widerrufs wegen wirtschaftlicher Notlage im Betriebsrentengesetz jedoch ersatzlos gestrichen worden sei, sei auch das Widerrufsrecht für den Arbeitgeber entfallen.
Das habe sowohl das Bundesarbeitsgericht als auch der Bundesgerichtshof in mehreren Urteilen bereits entschieden. Im Betriebsrentenrecht gelte wieder allgemein der Grundsatz, wonach fehlende Leistungsfähigkeit in aller Regel kein Grund sei, sich von übernommenen Zahlungspflichten lösen zu können.

Im Übrigen lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts auch die früheren strengen Voraussetzungen für einen Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage nicht vor.

Das Berufungsgericht hat die Revision gegen seine Entscheidungen nicht zugelassen. Damit kann die Beklagte nur noch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht einlegen.
Die Entscheidung im Verfahren 8 Sa 968/08 wird in der Landesrechtsprechungsdatenbank (Link) veröffentlicht werden.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2875
Quelle: Hessisches Landesarbeitsgericht PM 6/09 4. 3. 2009

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