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Spidla fordert flexible Löhne für 50-60Jährige

20.10.2008 - von Hanne Schweitzer

50-60jährige Arbeitnehmer müssen nach Ansicht von EU-Kommissar Spidla Lohnverzicht leisten. Allerdings nannte er es nicht so, sondern:"die Löhne müssen flexibler gestaltet werden."

In der Tageszeitung «Die Welt» vom 20.10. 08 verwies Spidla darauf, dass die Löhne in vielen Ländern mit zunehmendem Alter automatisch ansteigen und bei den 50- und 60-jährigen Arbeitnehmern ihren Höhepunkt erreichten. Die höheren Löhne seien ein Einstellungshindernis für arbeitslose ältere Arbeitnehmer oder begünstigten die Bereitschaft von Unternehmen, Ältere zu entlassen, so Spidla. «Insofern ist es sinnvoll, die Löhne für ältere Arbeitnehmer zu flexibilisieren und das Senioritätsprinzip beim Lohn zu überdenken.» Herr Spidla ignoriert mit seiner Forderung nach "Flexibilisierung" die Tatsache, dass in D nur noch 30,2 Millionen ArbeitnehmerInnen in einem unbefristeten Vollzeitbeschäfigungsverhältnis stehen und einen Arbeitsvertrag haben, in dem die Vergütung fixiert ist. Herr Spidla ignoriert die Tatsache, dass niedrigere Löhne und weniger Kündigungsschutz bislang keine Arbeitsplätze für Ältere gebracht haben. Herr Spidla ignoriert, dass die rot-grüne und die schwarz-rote Bundesregierung am laufenden Band Gesetze verabschiedet haben, die weniger Lohn und Kündigungsschutz für Ältere zum Ziel hatten. Herr Spidla ignoriert, dass der EuGH das bundesdeutsche Teilzeitbefristungsgesetz gekippt hat und als europrechtswidrig verurteilt hat.

«Ich appelliere an die Unternehmen, älteren Arbeitnehmern eine faire Chance zu geben, sie einzustellen und ihnen vernünftige Weiterbildungsmöglichkeiten einzuräumen. Fragen Sie doch mal bei Unternehmen, ob sie im vergangenen Jahr eine Person über 55 Jahre eingestellt haben», sagte Spidla. Spidla ignoriert, dass es keine "faire Chance" ist, wenn schon 7,7 Millionen Menschen jeden Alters in D. als geringfügig Beschäftigte, als Teilzeit- oder Leiharbeiter oder als Scheinselbständige arbeiten müssen. Herr Spidla ignoriert, dass Arbeitgeber hierzulande einen Lohnkostenzuschuss bis zu 50% erhalten, wenn sie über 50Jährige einstellen. Herr Spidla ignoriert, dass Lohnverzicht auch Verzicht auf anteilige Rente und anteiliges Arbeitslosengeld bedeutet. Gerade die letzten Arbeitsjahr werden bei der Berechnung überproportional berücksichtigt.

Herr Spidla ist EU-Kommissar für Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit. Sollte er irgendetwas verwechselt haben?

Laut Spidla liegen die Einstellungsraten für Arbeitnehmer ab 55 Jahren in D. bei 6,5 Prozent. In Irland sollen es dagegen 18 Prozent sein, in den die Niederlande 16,5 Prozent und in Bulgarien 14,5 Prozent. Und noch etwas für Herrn Spidla ins Stammbuch: Anfang der 90er Jahre war die Armutsquote in D. noch rund ein Viertel geringer als im OECD-Mittel; inzwischen ist sie über den Durchschnitt der 30 Mitgliedsstaaten gestiegen.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2554
Quelle: Büro gegen Altersdsikriminierung

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