Diskriminierung melden
Suchen:

Diskussion: Zweiklassensystem Altersvorsorge

09.09.2008 - von ADG e.V.

Die Aufteilung der Bevölkerung auf verschiedene Altersvorsorgesysteme ist willkürlich, sie geht auf den
Ständestaat des 19. Jahrhunderts zurück. Sie ist in dieser Form einmalig in Europa.

Für die berufsständische und Beamtenversorgung gelten
rechtsstaatliche Grundsätze und Grundrechte des Grundgesetzes, für die gesetzliche Rentenversicherung
gilt seit mindestens 30 Jahren die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, das heißt: politische Willkür.

Bis 1977 haben auch Arbeitnehmer eine angemessene Altersversorgung erhalten, inzwischen ist diese auf
weniger als die Hälfte der berufsständischen bzw. der
Beamtenversorgung zurück gegangen.

Der sog. Bundeszuschuss in die Rentenkasse ist kein Zuschuss, sondern eine Rückerstattung für gesamtgesellschaftliche Leistungen, welche die Politik der Rentenversicherung übertragen hat. Da sie bisher nie ausreichte, wird Jahr für Jahr die Rentenkasse mit der Differenz belastet.
D.h.: In der gesetzlichen Sozialversicherung werden
Arbeitnehmer und Rentner belastet, den Vorteil daraus haben Selbständige, Politiker, Beamte, Richter und Pensionäre. Seit 50 Jahren profitieren damit alle
Entscheidungsträger und ihre sogenannten Experten persönlich von diesem Zwei-Klassensystem.

Fragen:

  • Wie kann eine angemessene Altersversorgung auch in der gesetzlichen Rentenversicherung ermöglicht werden?

  • Sind die Parteien bereit, der gesetzlichen Rentenversicherung ab sofort vergleichbare rechtliche Rahmenbedingungen zu gewähren wie der berufsständischen Versorgung bzw. der Beamtenversorgung? Die Konsequenz muss sein, das Gesetz bekommt mindestens den gleichen Status wie ein Vertrag: keine rückwirkenden Rechtsänderungen in Bezug auf bereits erworbene Ansprüche und Zusagen sowie Zweckbindung der Beiträge. Oder: Berechnung und Erhöhung der Renten wie bei den Pensionen.

  • Ist die Schaffung einer Erwerbstätigenversicherung
    oder einer Bürgerversicherung, so wie in allen anderen Ländern Europas, die Lösung?


  • Die Aktion Demokratische Gemeinschaft lädt ein zur
    Podiumsdiskussion am 9. September 2008.

    Diskussionsteilnehmer:
  • Markus Blume, CSULandtagskandidat im Stimmkreis Trudering/Ramersdorf/Perlach. Seit 2007 Ortsvorsitzender der CSU Perlach und Stellvertretender Kreisvorsitzender der CSU im Münchner Osten.
  • Markus Rinderspacher, SPD,Landtagskandidat im Stimmkreis Trudering/Ramersdorf/Perlach. Vorstandsbeisitzer der SPD München-Ost, Landtagsstimmkreis 107 seit 2003 und Vorstandsbeisitzer im Wirtschaftsforum der Sozialdemokratie in München seit 2008.
  • Ralf J. Schumacher, Bündnis 90/Die Grünen, Landtagskandidat im Stimmkreis Trudering/Ramersdorf/ Perlach. Schwerpunkte: Umwelt, Finanz-und Rententhematik.
  • Klaus Ernst, Die Linke,Mitglied des Deutschen Bundestags.
    Stellvertretender Parteivorsitzender. Gründungsmitglied und Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des Vereins und der Partei Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit WASG.
  • Otto W. Teufel, Aktion Demokratische Gemeinschaft e.V. - ADG
  • Moderation, Horst Weise


  • Termin: Dienstag 9.9. (September) 2008

  • Ort: Kulturhaus Ramersdorf/Perlach,
    Hanns-Seidel-Platz 1, 81737 München (Nähe U-Bahnstation Neu Perlach, Zentrum)
  • Beginn:
    19:00 Uhr (Ende ca. 21:00 Uhr)


  • Die Aktion Demokratische Gemeinschaft e.V. ist ein
    Zusammenschluss von engagierten Bürgern für eine
    lebenswerte Zukunft in einem schlanken und sozial gerechten Staat.

    -----------
    ADG - Forum, Ausgabe September 2008, über die Podiumsdiskussion am 09.09.2008:
    Die Podiumsdiskussion der ADG, am 9. September 2008 in Münchens “schwärzestem” Stimmkreis 107, Ramersdorf, zum Thema “Altersvorsorge – Zwei-Klassensystem?” war gekennzeichnet von der einheitlichen Meinung der Parteienvertreter von CSU, SPD, Bündnis90/Die Grünen und Die Linke, dass eine Änderung der Altersvorsorgesysteme dringendst fällig sei.

    Während das wie und wann einer Systemänderung
    weitgehend offen blieb, hatte MdB Ernst von den Linken konkrete Vorstellungen. Er forderte neben der Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze eine solidarische Erwerbstätigenversicherung für alle, mit einem Rentensicherungsziel, das 70% des Nettoeinkommenniveaus
    entspricht und damit ein weiteres Abfordern von Sozialleistungen überflüssig machen wird. Er bemängelte, dass in der gesetzlichen Rentenversicherung das Ziel der Bundesregierung, die Beitragsstabilität ist, der Lebensstandard dagegen nur eine Nebengröße sei.

    Man war sich auf dem Podium auch darüber einig, dass ein Systemwechsel langfristig angelegt sein und einen Vertrauensschutz einschließen muss. Nicht zuletzt deshalb, weil die Beamtenversorgung historisch gewachsen ist, wie Herr Blume von der CSU bemerkte. Der Vorschlag von Herrn Rinderspacher (SPD), Beamte künftig nur noch in Kernbereichen einzusetzen, würde bereits eine kleine Entlastung bei der Beamtenversorgung herbeiführen und gleichzeitig über ein Einnahmeplus auf der Beitragsseite sorgen. Ausdrücklich betonte Herr Teufel von der ADG, dass niemand den Beamten etwas wegnehmen möchte, forderte jedoch dringend Gleichbehandlung ein, oder zumindest vergleichbare rechtliche Rahmenbedingungen für alle. Rückwirkende Eingriffe in das Leistungsgefüge und die Beliebigkeit bei der Verwendung der Beiträge müssten beendet sowie die Anpassung an die Einkommensentwicklung sichergestellt werden.

    Fast einstimmig wurde festgestellt, dass versicherungsfremde Leistungen nicht in ein Versicherungssystem gehören und dass mehr Transparenz für die Bürger nötig sei. MdB Ernst gab jedoch zu bedenken, dass es Leistungen gäbe, die durchaus von einem solidarischen System übernommen werden sollten. Wesentlich für die Transparenz der Mittelverwendung für versicherungsfremde Leistungen wäre nach Meinung von Herrn Teufel von der ADG, sie jährlich konkret auszuweisen.

    Unter dem Gesichtspunkt der demografischen Entwicklung wurde der in den Fünfziger Jahren unter Konrad Adenauer erfolgte Umstieg vom kapitalgedeckten zum umlagefinanzierten Rentensystem als falsch beurteilt. Tendenzen zu einem rein kapitalgedeckten System gab MdB Ernst eine Abfuhr, da es keineswegs sicherer sei und nur den Versicherungskonzernen Profite bescheren würde.

    Herr Schumacher von B90/Die Grünen stellte fest, dass ein
    System, das krisensicher sein soll, auf verschiedenen Säulen stehen muss. In diesem Zusammenhang wurde immer wieder das Schweizer Modell als mögliche Alternative genannt. Sein Vorschlag, unabhängige und kompetente Sachverständige, die keiner Partei oder Institution
    angehören, mit der Lösung der Systemprobleme zu beauftragen, fand die entschiedene Ablehnung der Vertreter von CSU und SPD. Die Lösung der Probleme sei keine Frage von Experten sondern die des Interesses, meinte dagegen MdB
    Herr Ernst lapidar.

    Die Moderation der Veranstaltung lag in den Händen von Herrn Weise, der seine manchmal nicht einfache Aufgabe souverän meisterte.

    Der teilweise große Unmut der Zuhörer über einige Äußerungen der Politiker ließ die Unzufriedenheit und Verärgerung über das bestehende Zweiklassensystem deutlich werden. Besonders die von Herrn Mössner, einem Stuttgarter Besucher, an die anwesenden Politiker gestellte Frage, ob sie eigentlich wüssten, über welche Rentenhöhen sie redeten und der anschließend von ihm vorgetragene Vergleich der Durchschnittsrenten mit den Durchschnittspensionen führte zu erheblicher Unruhe im Publikum.

    Weitere Wortmeldungen gingen von der Kritik über den 13-
    fachen Zuwachs der Beamtenversorgung im Jahre 2007 (bezogen auf die Durchschnittseinkommen der Rentner und Pensionäre) bis zu einem Appell an die Rentner/ (innen), bei den Wahlen wirklich nur die Partei zu wählen, die auch ihre Interessen vertritt. Das Fazit einiger Besucher nach dem Ende der Veranstaltung: „Es wäre schön, wenn sich die Nachwuchspolitiker, sollten sie gewählt werden, später noch an ihre Versprechen, Verbesserungen des Rentensystems anregen zu wollen, erinnern würden“.

    Die Schlussstatements seitens der CSU und SPD hatten leider
    eine ideologische Note, was nicht nur beim Vertreter von ADG - Forum nicht gut ankam.

    Mit dem von MdB Ernst vorgetragenen Dialog des Satirikers Qualtinger mit seinem Pendant Travnicek zur These, warum man zur Wahl gehen soll, wurde die sehr gut besuchte Podiumsdiskussion im Kulturhaus Ramersdorf/Perlach beendet:
    Qualtinger: “…weil dann der Politiker erfährt, was der Bürger von ihm hält.” Travnicek: “ …und das stört ihn
    nicht?”.

    Die ADG meint: Geben Sie bei den kommenden Wahlen auf jeden Fall ihr Votum ab! “Nicht wählen” schadet der Demokratie!
    Helmuth Wiesmeth
    Link

    Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=955
    Quelle: PM ADG vom 20.8.08