Diskriminierung melden
Suchen:

Sozialgericht Halle: Nichtanpassung der Rente o.k.

28.06.2008 - von Dipl.-Phys. Helmut Gobsch

Vor dem Sozialgericht in Halle(Saale)fanden am 23.06.08
vier Verhandlungen wegen der Nichtanpassung der Renten in den Jahren 2004, 2005 und 2006 und wegen der viel zu geringen Anpassung der Rente 2007 statt. Otto Teufel vom ADG e.V. aus München hat mich während der vier Verhandlungen begleitet. Vor dem Sozialgericht Halle(Saale) folgende Erklärung abgegeben:

Erklärung
Die Nichtanpassung der Renten in den Jahren 2004, 2005 und 2006, sowie die viel zu geringe Anpassung 2007 verstoßen gegen das Grundgesetz und gegen die Rechtssprechung des BVerfG.
In der Entscheidung vom 26.07.2007 (1 BvR 824/03 und 1 BvR 1247/07) hat das BVerfG ausgeführt:

„Die Rentenanpassung in Höhe des Inflationsausgleichs war auf die Jahre 2000 und 2001 begrenzt und wurde letztlich sogar nur im Jahr 2000 durchgeführt. Die Aussetzung der Rentenanpassung war auf die zum 1. Juli 2004 zu erfolgende Rentenanpassung beschränkt. Beide Maßnahmen bildeten lediglich zeitlich begrenzte, punktuelle Ausnahmen von dem ansonsten geltenden Grundsatz der jährlich an die Entwicklung der Arbeitseinkommen ausgerichteten Rentenanpassungen.“ (Rn. 57)
„Allerdings ist der Gesetzgeber bei Eingriffen in die Systematik der regelmäßigen Rentenan­passung verfassungsrechtlich gebunden. Im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung begründen die langfristigen Beitragsverpflichtungen, die erst zu einem sehr viel später liegenden Zeitpunkt zu Leistungen führen, ein besonderes Vertrauen auf den Fortbestand gesetzlicher Leistungsregelungen, zu denen auch die Vorschriften über die regelmäßige Rentenanpassung gehören. Zudem folgt aus dem in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich angeordneten, die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG berührenden Versicherungszwang mit einem erheblichen Beitragssatzniveau die Pflicht des Gesetzgebers, für die erbrachten Beitragsleistungen im Versicherungsfall adäquate Versiche­rungsleistungen zu erbringen. Schließlich dürfen die Regelungen über die Rentenanpassung nicht zu einer substantiellen Entwertung der erreichten Ansprüche und Anwartschaften mit der Folge führen, dass diese im Ergebnis leer laufen.“


Damit hat das Bundesverfassungsgericht eindeutig festgestellt, dass mit der Rentennullrunde 2004 das Ende der zumutbaren Eingriffe bei den Rentenanpassungen erreicht ist.
Weiterhin führt das Bundesverfassungsgericht aus:
„Gesetzliche Maßnahmen, die der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung dienen, müssen allerdings von einem gewichtigen öffentlichen Interesse getragen und verhältnismäßig sein.“
Ein öffentliches Interesse kann schon deshalb nicht gegeben sein, weil

  • - die Bundesregierungen belasten seit etwa 50 Jahren die Rentenversicherung mit einer Reihe von Leistungen, ohne dafür entsprechende Mittel in ausreichendem Umfang zur Verfügung zu stellen. Diese einseitige Belastung ausschließlich von Arbeitnehmern und Rentnern ist ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes und kann damit ein öffentliches Interesse nicht begründen.
  • - die Umstellung der gesetzlichen Rentenversicherung vom Kapitaldeckungs- auf das Umlageverfahren 1957 war eine willkürliche politische Maßnahme, die ausschließlich dazu diente, den Bundeshaushalt zu entlasten. Dadurch wurden die Beiträge der Versicherten zu öffentlichen Mitteln (BVerfG am 28.10.1994 – 1 BvR 1498/94).


  • Daraus folgt, dass die Beiträge auch entsprechend behandelt werden müssen, das heißt wie öffentliche Anleihen, die entsprechend zu verzinsen sind, oder wie bei Beamten zu einer angemessenen Altersversorgung führen müssen. Um entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine substantielle Entwertung der Rentenansprüche zu vermeiden, ist die Rentenanpassung entsprechend der Einkommensentwicklung bzw. der Teuerungsrate vorzunehmen. Diese betrugen laut Statistischem Bundesamt für die Jahre 2004 bis 2006 (als Basis für die Anhebung 2005 bis 2007):
    Einkommensentwicklung Teuerungsrate
    2004 + 2,2 % + 1,6 %
    2005 + 1,9 % + 2,0 %
    2006 + 1,8 % + 1,7 %
    Der 2001 eingeführte Riesterfaktor (Riestertreppe) zur Dämpfung des Rentenanstiegs verstößt gegen den Gleichheitssatz des GG, denn erstens belastet er die Rentner mit 0,65 % pro Jahr wesentlich höher als die Arbeitnehmer die aufgrund der Steuer- und Abgabenfreiheit, sowie der staatlichen Prämien nur mit etwa 0,25 % pro Jahr belastet sind. Zweitens erhalten Rentner für diese Belastung, im Gegensatz zu den Arbeitnehmern keinen entsprechenden Gegenwert. Der 2004 eingeführte Nachhaltigkeitsfaktor zur Dämpfung des Rentenanstiegs verstößt ebenfalls gegen den Gleichheitsgrundsatz des GG, da er für andere Altersvorsorgesysteme nicht gilt (Berufsständische Versorgungssysteme, Beamtenversorgungssysteme).

    Weiter möchte ich mit Nachdruck darauf hinweisen, dass die Renten Ost an die Renten West immer noch nicht angeglichen wurden, obwohl diese Angleichung bei den Hartz IV-Empfängern in West und Ost schon lange geschehen ist.
    Helmut Gobsch

    Alle vier Klagen wurden vom Sozialgericht Halle negativ beschieden. Ich gehe aber in Berufung vor dem
    Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit Sitz in Halle(Saale) bis zur letzten Instanz, dem Bundesverfassungsgericht. Herr Teufel wird mich weiter unterstützen.

    Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2132
    Quelle: Mail an die Redaktion