Diskriminierung melden
Suchen:

EURI 78: Gerichte müssen Rechtsschutz gewähren

22.11.2005 - von AGE

Der Europäische Gerichtshof fällte ein erstes Urteil über die Altersdiskriminierung älterer Arbeitnehmer.

Im Februar 2004 wandte sich das Arbeitsgericht München (Mangold"-Entscheidung) zur Vorabentscheidung mit einer Frage zur Auslegung der Europäischen Beschäftigungsrichtlinie an den Europäischen Gerichtshof.

Das nationale Gericht wollte wissen, ob im Falle von Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatpersonen die Beschäftigungsrichtlinie 2000 und die Richtlinie über befristete Arbeitsverträge von 1999 ältere Menschen von der Beschäftigung in befristeten Arbeitsverhältnissen ohne Einschränkungen ausschließen (TzBfG).

Bei den betreffenden Privatpersonen handelt es sich um die Herren Mangold – 56 Jahre – und Helm. Herr Helm stellte Herrn Mangold ein. Laut Vertrag lag ein befristetes Beschäftigungsverhältnis gemäß der neuen deutschen Gesetzgebung vor, die für befristete Arbeitsverträge keine Einschränkungen für Arbeitnehmer über 52 Jahre und älter vorsah.

Die Richtlinie des Rates über befristete Beschäftigungsverhältnisse fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen durchzuführen, die eine objektive Begründung, die Höchstdauer und die Zahl der Verlängerungen von befristeten Arbeitsverträgen in Folge erfordern. Diese Richtlinie wurde in deutsches Recht umgesetzt, wonach eine objektive Begründung und eine Höchstdauer von 2 Jahren und 3 Vertragsverlängerungen festgelegt sind, jedoch mit einer Ausnahme. Diese Beschränkungen fanden keine Anwendung auf Beschäftigte im Alter von 60+-. Diese Altersgrenze wurde 2002 auf 52 Jahre herabgesetzt.

In der Entscheidung der Frage, ob die Beschäftigungsrichtlinie und ihre Artikel über Alterdiskriminierung die gemäß deutschem Gesetz festgelegten Altersgrenzen ausschließen, befand der Europäische Gerichtshof, dass es klar ist, dass der Zweck dieser Gesetzgebung darin besteht, die berufliche Integration älterer Arbeitnehmer zu fördern und dass die Rechtmäßigkeit dieses Ziels über jeden Zweifel erhaben ist. Es bleibe indes festzulegen, ob die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und notwendig sind.

Sowohl das nationale Gericht wie der Europäische Gerichtshof führten aus, dass die Gesetzgebung zu einer Situation führt, in der alle Arbeitnehmer im Alter von 52 Jahren und älter befristete Arbeitsverträge erhalten können, die uneingeschränkte Male verlängert werden können. Dies würde sie vom Vorteil einer Festanstellung während eines großen Abschnittes ihres Arbeitslebens ausschließen. Die Festlegung einer Altersgrenze – ungeachtet jeder anderen Erwägung wie Arbeitsmarkt und persönliche Situation einer betroffenen Person – muss darüber hinausgehen, was angemessen und notwendig ist, um das gesetzliche Ziel zu erreichen.

Obwohl Deutschland noch bis Ende 2006 Zeit hat, um die Beschäftigungsrichtlinie umzusetzen, fordert der Gerichtshof, dass die Mitgliedstaaten während dieser Verlängerung nach und nach Maßnahmen ergreifen, um die nationale Gesetzgebung der Richtlinie anzugleichen und von jeglichen Maßnahmen absehen, die der Erreichung des von den Richtlinien vorgeschriebenen Ziels ernsthaft im Wege stehen.

Der Gerichtshof geht darüber hinaus und erklärt, dass – wie gemäß Inhalt der Beschäftigungsrichtlinie klar ist – der Antidiskriminierungsgrundsatz auf den verschiedenen internationalen Instrumenten und allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Verfassungstraditionen beruht, und dass der Antidiskriminierungsgrundsatz aufgrund des Alters als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrecht angesehen werden muss! Die Achtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes, insbesondere in Bezug auf Alter, kann nicht vom Zeitraum abhängig gemacht werden, der den Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinie gewährt wird.

Aus diesem Grunde muss das nationale Gericht den Individuen Rechtsschutz gewähren, auch wenn der Zeitraum für die Umsetzung der Richtlinie noch nicht verstrichen ist.

Mehr Informationen in der Rubrik über Urteilsentscheidungen über Altersdiskriminierung:

Link: http://www.age-platform.org/EN/article.php3?id_article=295
Quelle: AGE

Weitere Artikel, nach dem Datum ihres Erscheinens geordnet, zum Thema Justiz:
22.11.2005: EU-Gerichtshof kippt Teilzeitbefristungsgesetz
21.11.2005: Altersbedingte Minderleistung mitunter O.K.
15.11.2005: Parlamentarische Linke will fortschrittliches ADG

Alle Artikel zum Thema Justiz